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Botschaft des Aktionskünstlers David Cerný an die Politik seines Landes. Freitag und Samstag wird neu gewählt.

Foto: Reuters/Cerný

Karl Schwarzenberg mit - freilich fiktivem - rosa Irokesenschnitt: Das war die Ikone des tschechischen Präsidentschaftswahlkampfs 2013, allgegenwärtig auf Anstecknadeln, Aufklebern und Plakaten. Der 75-jährige Adelige als rebellischer Punk, der gegen Korruption und verkrustete Strukturen ins Feld zieht, traf vor allem in der Hauptstadt Prag den politischen Nerv einer jungen, liberalen Wählerschicht. Zwar verlor Schwarzenberg die Stichwahl gegen den Linkspolitiker Milos Zeman, mit 45 Prozent erzielte er jedoch einen Überraschungserfolg.

Am Freitag und Samstag wird in Tschechien ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Schwarzenbergs Symbol ist nicht mehr die Punkfrisur, sondern die etwas großväterlich wirkende Pfeife auf den Wahlplakaten seiner Partei Top 09. Der leidenschaftliche Pfeifenraucher Schwarzenberg als Gegenspieler des ebenso leidenschaftlichen Zigarettenrauchers Zeman: Top 09 präsentiert sich als Partei der Zeman-Kritiker.

Die rechtsliberale Partei war bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2010 als neue, proeuropäische Konkurrenz zu den damals regierenden Bürgerdemokraten (ODS) angetreten. Mit zahlreichen Korruptionsaffären und ihrem distanzierten Verhältnis zur EU bot die ODS Raum für eine neue Kraft rechts der Mitte. Top 09 erreichte auf Anhieb knapp 17 Prozent und damit Platz drei. Mittlerweile hat Schwarzenbergs Partei die ODS überholt und ist zur tonangebenden bürgerlichen Kraft geworden.

Angesichts der jüngsten Umfragen ist das für Top 09 jedoch vermutlich nur ein schwacher Trost: Die Partei könnte etwa ein Drittel ihrer Stimmen wieder verlieren und auf Platz vier abrutschen. Allerdings läge Top 09 damit immer noch deutlich vor der ODS, die in den meisten Umfragen nur auf den fünften Platz kommt: Der Bespitzelungs- und Korruptionsskandal, über den das Kabinett des Bürgerdemokraten Petr Necas im Juni gestolpert war, kostete vor allem die ODS viele Sympathien.

Umstrittene Projekte

Dabei stand es um die damaligen Regierungsparteien ODS und Top 09 bereits vor dem Sommer nicht zum Besten. Die Sparpolitik von Top-09-Vize und Exfinanzminister Miroslav Kalousek stieß ebenso auf Widerstand wie Neuerungen im Sozialsystem: So sollten etwa alle Bezieher von Sozialleistungen die sogenannte "sKarta" mit Zahlungs- und Bankomatfunktion bekommen - und mit ihr automatisch ein Konto bei der Bank Ceská sporitelna. Das Projekt des damaligen Sozialministers Jaromír Drábek (ebenfalls Top 09) wurde mittlerweile im sozialdemokratisch dominierten Senat gestoppt. Auch ein Programm namens Donez, das Arbeitslose zwang, mehrmals pro Woche an wechselnden Stellen vorzusprechen, stammte aus der Küche Drábeks. Donez sollte Arbeitslose "beschäftigen", um dem Pfusch einen Riegel vorzuschieben, wurde aber - nicht nur von den Betroffenen - als Schikane empfunden.

Indes legte die Linke kontinuierlich zu. Die Sozialdemokraten (CSSD) führen in den Umfragen souverän, auf Platz zwei lagen lange Zeit die Kommunisten (KSCM). Die gemeinsame Mehrheit, die noch vor kurzem als gewiss galt, ist in der Schlussphase des Wahlkampfs jedoch ins Wanken geraten. "Ich bin mir nicht sicher, dass das gelingen wird", meint etwa der ehemalige CSSD-Chef Vladimír Spidla (siehe unten). Spidla stand den Kommunisten zwar stets distanziert gegenüber, sieht aber kaum Spielraum für eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien.

Angst vor Kommunisten

Die Sozialdemokraten befinden sich damit in ihrem alten Dilemma: Die Angst vor einem Erstarken der Kommunisten geht häufig eher auf Kosten der CSSD als auf Kosten der KSCM: "Die Kommunisten haben disziplinierte Wähler", erklärt Politikwissenschafter Jan Bures. "Die gehen immer zu den Wahlen und bleiben ihrer Partei treu." Vor allem Top 09 weiß das im Wahlkampf zu nutzen. "Sozialleistungen motivieren nicht zur Arbeit" heißt es auf Plakaten. Wer davon nicht überzeugen ist, wird vor der "realen Bedrohung durch Kommunisten" gewarnt.

Welche Koalitionen schließlich möglich sind, wird auch vom Abschneiden der neuen Partei ANO des Milliardärs Andrej Babis abhängen. Sie könnte aus dem Stand auf Platz zwei kommen und das politische Spektrum Tschechiens gehörig durcheinanderwirbeln. Eine weitere Unbekannte sind die zahlreichen Kleinparteien: Den Christdemokraten könnte der Wiedereinzug ins Parlament gelingen, gute Chancen hat auch die Morgendämmerung der direkten Demokratie des tschechojapanischen Unternehmers Tomio Okamura. An der Fünfprozenthürde kratzt auch die Partei der Bürgerrechte (SPOZ) rund um Präsident Zeman. Den Grünen hingegen werden kaum Chancen eingeräumt - ebenso wie der EU-feindlichen Bewegung Kopf hoch, die von Václav Klaus unterstützt wird. (Gerald Schubert aus Prag, DER STANDARD, 24.10.2013)