Menschenrechtsexperte Manfred Nowak hat Bedenken gegen die Privatisierung der Schubhaft in Vordernberg.

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Soll 2014 in Betrieb gehen, sorgt jedoch schon im Vorfeld für rege politische Diskussionen: das neue Schubhaftzentrum im steirischen Vordernberg.

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STANDARD: Im Anhaltezentrum Vordernberg soll die Schubhaft von Polizisten und Mitarbeitern der Sicherheitsfirma G4S betrieben werden. Die hoheitlichen Aufgaben - Freiheitsentzug, Einsatz staatlicher Gewalt - sollen dabei nur von der Polizei ausgeübt werden. Klingt das nach einem menschenrechtlich akzeptablen Modell?

Nowak: Auf keinen Fall, es ist höchst problematisch. Hier wird zum ersten Mal in Österreich der Betrieb einer Haftanstalt an eine private Sicherheitsfirma ausgelagert. Man wird sich die Aufgabenteilung zwischen Polizei und Sicherheitsfirma genauest anschauen müssen, denn hier handelt es sich um Kernfunktionen staatlicher Hoheitsaufgaben.

STANDARD: Bleiben diese gewahrt, wenn, wie es laut einem Bericht im Innenministerium hieß, die Bewachung Polizeiaufgabe bleibt, es aber G4S-Patrouillen geben soll?

Nowak: Nein, denn ich denke, es wird sich gar nicht vermeiden lassen, dass Sicherheitsleute in Vordernberg auch Gewalt einsetzen. Was sollen sie sonst tun, wenn sie auf Patrouille auf eine gefährliche Situation stoßen, die Polizei rufen? Dabei ist es eine klassische hoheitliche Aufgabe, in derartigen Situationen einzugreifen. An Orten, wo Freiheit entzogen wird, hat der Staat eine besondere Gewährleistungspflicht.

STANDARD: In den USA und Großbritannien betreiben Sicherheitsdienste bereits Gefängnisse. Was sagen Sie dazu?

Nowak: Großbritannien und andere Staaten wurden vom Uno-Menschenrechtsausschuss wegen dieser Auslagerung auch bereits scharf kritisiert. Neuseeland und Australien haben ihr Vorgehen danach wieder geändert. Derlei Privatisierungen drücken den ganzen Wahn des Neoliberalismus aus, laut dem die Staatsaufgaben so weit wie möglich liberalisiert werden sollen. Das müsste prinzipiell überdacht werden, derzeit wird ist aber vor allem verfassungsrechtlich begrenzt.

STANDARD: Auch in Österreich?

Nowak: Ja. Die wesentlichste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist hier jene zur Firma Austro-Control, die Teile der Luftraumüberwachung innehat. 1996 entschied der VfGH, dass diese Auslagerung noch in Ordnung gehe. Aber er betonte, dass - Zitat - "die Vorsorge für die Sicherheit im Inneren und nach außen sowie die Ausübung der Strafgewalt zu den Kernaufgaben der staatlichen Verwaltung gehören".

STANDARD: Wo liegen die Risiken, wenn das nicht mehr so ist?

Nowak: Dass es, etwa wenn es zu Fällen von Folter kommen sollte, keine direkte Möglichkeit mehr gibt, ein staatliches Organ verantwortlich zu machen.

STANDARD: Prävention von Folter obliegt in Österreich der Volksanwaltschaft, wo Sie eine Kommission leiten. Ist Vordernberg ein Fall für die Volksanwaltschaft?

Nowak: Natürlich. Dass es das Anhaltezentrum in Vordernberg gibt, ist Resultat der Kritik an den Zuständen in den alten Polizeianhaltezentren vom Menschenrechtsbeirat, der jetzt bei der Volksanwaltschaft angesiedelt ist. In die Planung des modernen Schubhaftzentrums waren wir eingebunden, von der Privatisierung jetzt wurde ich völlig überrascht. Hätten wir das gewusst, wir hätten unsere Einwände formuliert. (Irene Brickner, DER STANDARD, 24.10.2013)