Für die Experten im Sozialministerium ist die Sachlage klar: Die Steiermark habe keine Notwendigkeit, als einziges Bundesland einen Pflegeregress, mit dem auch Kinder zu Zahlungen verpflichtet werden, einzuheben. Die Finanzierung der Pflege sei auch in der Steiermark durch Mittel des Pflegefonds gesichert.
Der jährliche Mehraufwand der Pflege - gemessen an den Kosten im Vergleichsjahr 2010 - würde aus dem Fondstopf finanziert, heißt es im Büro des Sozialministers. Entsprechend sauer sei der Minister auf die "Extrawürstl" in der Steiermark, wo pro Jahr zusätzliche 9,7 Millionen Euro von den Angehörigen von Pflegebedürftigen einhoben werden.
Dies, obwohl das Bundesland 2012 rund 21,6 Millionen Euro und für 2013 knapp 30 Fondsmillionen erhalten habe. Im Ministerium wie auch aus den Reihen der Opposition wird der Landesregierung vorgeworfen, dass die Regressgelder nicht für die Pflege, sondern zur Sanierung des maroden Budgets verwendet werden.
Im Durchschnitt mussten im Vorjahr rund 6000 Regresspflichtige Zahlungen leisten. In einzelnen Fällen mussten Betroffene durch Nachzahlungen sogar mehrere tausend Euro begleichen. Wie in anderen Bundesländern werden zudem von den Pflegebedürftigen über die Pensionen, das Pflegegeld oder Vermögen Beiträge eingefordert. Sie finanzieren damit rund die Hälfte der Pflegekosten selbst. Obwohl es Kritik von allen Seiten hagelt, bleibt die Landesregierung auf Linie. ÖVP-Klubobmann Christopher Drexler betonte gar, er sei "stolz" auf den Regress, seine Parteikollegin, Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder, kritisierte die anderen Bundesländer als "feig", weil sie es nicht der Steiermark gleichtun.
Der Grund für die steirische Bestemmhaltung dürfte in der "Reformpartnerschaft" zwischen SPÖ und ÖVP liegen. Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und sein ÖVP-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer einigten sich wegen des desolaten Haushaltes auf einen Sparkurs und darauf, die Belastungen für die Bürger auf beide Parteien gleichzuverteilen.
Schützenhöfer, dessen Hausmacht in den Gemeinden bei den Bürgermeistern liegt, musste die Zwangsfusionen schultern, Voves Schnitte im Sozialbudget und die Wiedereinführung des Regresses zulassen. Gibt Voves beim Regress nach, bleibt Schützenhöfer allein mit der Bürde der Gemeindefusionen übrig. Das wäre gegen den Pakt. Also müssen beide auf Kurs bleiben: Augen zu und durch.(Walter Müller, DER STANDARD, 23.10.2013)
Burgenland
Einen Pflegeregress gibt es im Burgenland seit 2008 nicht mehr. Ungeschoren bleiben die Kinder dennoch nicht. Das Land greift nicht nur auf allfällige Erbschaften zu, sondern auch auf zuvor getätigte Schenkungen. Wird jemand fünf Jahre nach der Schenkung pflegebedürftig, so hält sich das Land in der Höhe des Geschenkwertes schadlos. In der Regel bedeutet dies, dass das Land sich Pfandrechte an einem Haus oder einem Grundstück grundbücherlich sichern lässt. "Wohnrechte tasten wir sicher nicht an", heißt es im Büro von Soziallandesrat Peter Rezar. Frei verfügen kann der Beschenkte freilich nicht, "viele lösen deshalb die Hypothek ab". Manchmal, gibt Gerlinde Stern-Pauer vom Büro Rezar zu, "kann es zu Härtefällen kommen". Dann vor allem, wenn nur vage Vereinbarungen getroffen wurden, "wenn's heißt: Kümmer dich um mich, das Haus kriegst ja eh". Allfällige Betreuungsdienste können gegengerechnet werden. (wei)
Kärnten
2008 war der Plegeregress in Kärnten abgeschafft worden, 2011 wurde die Zuzahlung der Angehörigen von FPK und ÖVP nach dem Vorbild der Steiermark wieder eingeführt. Um von der neuen Dreierkoalition von SPÖ, ÖVP und Grünen mit 1. Mai 2013 wieder beseitigt zu werden. Es war ein Wahlversprechen der SPÖ gewesen. Letztlich stimmte auch die ÖVP zu, die - um die Koalitionsverhandlungen nicht zu gefährden - keine "Glaubensfrage" daraus machen wollte.
In Kärnten war der Pflegeregress im Kärntner Mindestsicherungsgesetz geregelt und sozial gestaffelt. Bis zu einem Nettoeinkommen von 1160 Euro wurde kein Regress eingehoben. Zuerst wurde das Vermögen des Pfleglings herangezogen, danach die Partner und Kinder zur Zuzahlung verpflichtet. Kärnten war das einzige Bundesland, in dem auch behinderte und beeinträchtigte Menschen vom Pflegeregress betroffen waren. (stein)
Niederösterreich
"Keinesfalls" werde an eine Wiedereinführung des Regresses von Kindern gedacht, sagt die niederösterreichische Soziallandesrätin Barbara Schwarz (ÖVP). Für 2014 hat das Land Ausgaben in Höhe von 375 Millionen Euro für rund 9000 Pflegeheimbetten veranschlagt. Angehörige müssen unter bestimmten Umständen aber sehr wohl damit rechnen, zur Kasse gebeten zu werden: Wenn der zu Pflegende von der Sozialhilfebehörde die Übernahme von Kosten bewilligt bekommt, kann zum Kostenersatz gebeten werden, wer von der hilfsbedürftigen Person beschenkt wurde oder wird oder etwas von ihr erbt.
Schenkungen über 3720 Euro, die fünf Jahre bevor, währenddessen oder drei Jahre nachdem der Pflegebedürftige Hilfe in Anspruch nahm, gemacht werden, können zum Kostenersatz herangezogen werden. Auch dann, wenn der Beschenkte das Geld schon verbraucht hat. Nach dem Tod eines Heimbewohners meldet die Sozialhilfebehörde zudem die offenen Kosten zur Verlassenschaft an, sie werden dann als Verbindlichkeit angeführt. (spri)
Oberösterreich
In Oberösterreich gibt es keinen wie in der Steiermark diskutierten Pflegeregress. Für Ehegatten gilt jedoch, dass sie sehr wohl für den Unterhalt ihres pflegebedürftigen Partners aufkommen müssen. Nur Kinder (und auch Enkel) müssen offene Pflegekosten für ihre Eltern im stationären Bereich nicht übernehmen.
Für die Nettokosten kommen in Oberösterreich entweder die Sozialhilfeverbände oder die statutarfreien Städte auf. Auf verwertbares Vermögen des Pflegebedürftigen wird freilich zurückgegriffen, dazu zählt etwa das eigene Haus, wenn nicht der Ehepartner darin lebt.
Ist dies jedoch der Fall, so geht der Sozialhilfeverband mit einer Hypothek auf das Haus. Wird eine Person, fünf Jahre nachdem sie das Haus an Erben überschrieben hat, zum Pflegefall, kann auf dieses Vermögen nicht mehr zurückgegriffen werden. Und tauchen nach der Pflegebedürftigkeit Verlassenschaften auf, so kann nur drei Jahre im Nachhinein dieses Vermögen zur Deckung der bereits entstandenen Kosten herangezogen werden. (ker)
Salzburg
In Salzburg gibt es keinen direkten Zugriff auf das Vermögen von Kindern, wenn die Eltern im Pflege- oder Seniorenheim sind. Jedoch gibt es eine Kostenersatzverpflichtung für die Betroffenen selbst: Sie müssen die Pflege bezahlen und dürfen nur das Zehnfache des jeweiligen Sozialhilferichtsatzes als "Schonvermögen" behalten.
Aktuell sind das im Jahr 2013 4830 Euro. Diese Schonvermögensregelung gilt auch für alle Geschenknehmer (unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis), wenn die Schenkung innerhalb von fünf Jahren vor Inanspruchnahme der Sozialhilfe - also beispielsweise des Heimplatzes - erfolgt ist. Die neue Salzburger Landeskoalition von ÖVP, Grünen und Team Stronach hat im Arbeitsübereinkommen festgelegt, das "Schonvermögen" auf 10.000 Euro anzuheben.
Bei den Liegenschaften gibt es eine Spezialregelung: Hier muss bis zum Dreifachen des Einheitswertes Kostenersatz geleistet werden. Eine recht moderate Regelung, sagen Sozialexperten, da die Einheitswerte immer weit unter den Verkehrswerten liegen. (neu)
Tirol
Seit der Abschaffung des Pflegeregresses in Tirol wurde lediglich einmal, und das sehr leise, über eine Wiedereinführung nachgedacht: Im Jahr 2010 war es Gemeindeverbandschef Ernst Schöpf (ÖVP), der angesichts des Drucks zur Budgetsanierung die Rückkehr zum Regress für Heimkosten forderte.
Auf das Vermögen von Menschen in Pflege wird in Tirol bis zu einem Freibetrag von 7000 Euro zugegriffen. Bei Immobilien besteht die Möglichkeit einer zinsenlosen Vorauszahlung der offenen Heimbeträge durch das Land. Übergibt eine ältere Person ihr Vermögen - Ersparnisse, aber auch ein Haus, einen Grund oder eine Wohnung - frühzeitig an ihre Kinder, ist entscheidend, ob sie zu diesem Zeitpunkt bereits pflegebedürftig ist. Ist das nicht der Fall, übernimmt das Land im Fall einer späteren Pflegebedürftigkeit alle Kosten, die durch Pension, Pflegegeld und sonstige Einnahmen nicht gedeckt werden. (mika)
Vorarlberg
Angehörige müssen in Vorarlberg die Pflege nicht mitfinanzieren. Außer: Es wurde Vermögen noch kurz vor dem Umzug in ein Pflegeheim verschenkt. Liegen Schenkungen weniger als zehn Jahre zurück, muss der Beschenkte Schenkungszinsen (bemessen am Verkehrswert) bezahlen. Als generelle Leitlinie gilt: Pflege ist selbst zu bezahlen. Bevor man Mindestsicherung bekommt, wird auf Pension, Pflegegeld, Vermögen (über 10.000 Euro), Einkommen aus Miete, Verpachtung, Fruchtgenuss zurückgegriffen.
Als Taschengeld bleiben 20 Prozent der Pension (außer 13. und 14.) und zehn Prozent des Pflegegelds der Stufe 3. Bei Immobilienbesitz nicht berechnet wird das sogenannte "Kleine Eigenheim", Haus oder Wohnung, die Ehemann, Ehefrau, Kinder oder Enkel bewohnen. Weitere Liegenschaften werden vom Land mit einer Höchstbetragshypothek belastet. Bei der Verlassenschaft wird abgerechnet. (jub)
Wien
Der Pflegeregress in Wien wurde 1974 abgeschafft. "Und das ist gut so", sagt die zuständige Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). An eine Wiedereinführung werde nicht gedacht.
Zur Kostendeckung werden Pflegegeld, Einkommen und Vermögen herangezogen. Reicht das nicht aus, muss ein Anteil bezahlt werden. Das entspricht 80 Prozent des Nettoeinkommens inklusive Pflegegeld plus Vermögen. Ein Vermögensbetrag von 4000 Euro bleibt unangetastet. Auf Schenkungen wird zurückgegriffen, wenn sie in den vergangenen drei Jahren passiert sind. Ehepartner sind unterhaltspflichtig, Kinder sind von Beiträgen befreit.
2012 wurden 22.500 Wienerinnen und Wiener stationär sowie 36.370 mobil betreut und gepflegt. Dafür wurden 742 Millionen Euro an Steuergeldern verwendet. "Pflegebedürftige Menschen, die Geld haben, müssen ihr Vermögen zuerst aufbrauchen. Das ist eine versteckte, 100-prozentige Erbschaftssteuer", kritisiert Wehsely. Gerechter fände sie eine Wiedereinführung der Steuer - samt Zweckwidmung für Pflege. (krud)