Die Nationalratswahl ist geschlagen, nach einem lustlosen, inhaltsleeren Wahlkampf. Garniert mit skurrilen Persönlichkeiten wurden den Wählern, austauschbare Allerweltsbotschaften serviert. Die geschlagenen "Großparteien" lamentieren über ihre mangelnde Fähigkeit, die "Message" unters Volk zu bringen, und geloben, zukünftig besser zu kommunizieren. Aber was? Welche Ideen, welche Konzepte für die Zukunft unserer Gesellschaft? Inhaltsleere bleibt Inhaltsleere, auch wenn sie von noch so vielen Kommunikationsprofis bearbeitet wird.

Kommunikation ist nicht das Problem

Wie bereits zu erkennen ist, sehe ich das Problem der Politik nicht in der Kommunikation. Sie ist ein weitgehend professionalisiertes Feld. Vielmehr ist es das Fehlen von Inhalten, das der Politik zu schaffen macht. Nichts bleibt Nichts, egal wie oft es wiederholt wird. Von dieser Leere ist meiner Meinung nach die Linke (so sie noch existiert) stärker betroffen als das konservative Lager. Rechtsaußen schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung um (Stichwort: "Totengedenken" oder Ulrichsberg).

Die Konservativen haben seit jeher die Interessen des Kapitals vertreten, ursprünglich gepaart mit christlicher Soziallehre. Im Laufe der Zeit wurde die soziale Verantwortung an NGOs (Caritas) oder engagierte Einzelpersonen, wie etwa den Armenpfarrer Pucher in Graz, ausgelagert. Ideologie war nicht notwendig, da die Kapitalinteressen die Politik vorgaben und – in den letzten Jahren vermehrt – vorgeben. Ideologie wurde so eingesetzt, dass jene, die besonders negativ von den Kapitalinteressen betroffen sind, die Arbeitnehmer, daran glauben, dass diese Politik für sie gut sei. Die Illusion von "Jeder kann es schaffen, wenn er nur fleißig genug ist" hat sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Wörter wie "sozial", "Umverteilung" oder gar "Klassenkampf" werden sogar von vielen Linken gemieden.

Die Linken in der Ideologiefalle

Die Linken sind voll in die Falle gegangen. Anstatt das herrschende kapitalistische System zu hinterfragen, werden "linke" Politiker nicht müde, bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu beteuern, dass sie ohnehin für die freie Marktwirtschaft, das Leistungsprinzip und gegen Sozialschmarotzer sind. Gekrönt wird das Ganze noch mit dem Hinweis auf ideologiefreie Sachpolitik.

Im Duden wird Politik definiert als "auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens gerichtetes Handeln von Regierungen, Parlamenten, Parteien, Organisationen". Gestaltung ist der springende Punkt. Politik braucht Ideen, Visionen – Ideologie. Ohne diese Zutaten verkommt Politik zur reinen Verwaltung des Bestehenden. Beliebigkeit wird oberste Maxime. Eine Französische Revolution wäre ohne Gestaltungswillen undenkbar gewesen, sie hätte nie stattgefunden. Ebenso würden wir ohne Ideologie, ohne einen politischen Gesellschaftsentwurf heute noch 14 Stunden am Tag für einen Hungerlohn arbeiten.

Ideologie wieder als Bestandteil der Politik

Linke Politik sollte sich wieder auf Ideologie besinnen. Der herrschende Zeitgeist der bedingungslosen Marktreligiosität muss hinterfragt, kritisiert und dessen negative Auswirkungen aufgezeigt werden. Dem gegenüber muss ein linker Gesellschaftsentwurf stehen, der es den Menschen wieder ermöglicht, sich anderen Dingen als dem täglichen Überlebenskampf zu widmen.

Ideologie im Sinne eines Gesellschaftsentwurfs ist auch eine Waffe gegen Politikverdrossenheit. Sie definiert klare Grenzen und erzeugt damit einen Gegenpol zu Feigheit und Ignoranz, die sich nur allzu oft hinter falsch verstandener Toleranz (rechte Hetze als freie Meinungsäußerung) verbergen. Ideologie kann begeistern, Menschen zu politischer Aktivität, zur Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen motivieren. Sie wird damit wieder zu einer Stütze einer Demokratie, in der verschiedene Gesellschaftsentwürfe zur Abstimmung stehen und die Wähler und Wählerinnen nicht nur die Wahl zwischen unterschiedlichen Verwaltern haben. In diesem Sinne: ¡No pasarán! (Leserkommentar, Thomas Karasek, derStandard.at, 22.10.2013)