Islamabad - Mit ihren Drohnenangriffen in Pakistan hätten die USA mehrfach das Völkerrecht gebrochen und möglicherweise sogar Kriegsverbrechen begangen. Dies schreibt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem am Dienstag vorgestellten Bericht. Auch Deutschland soll die USA dabei unterstützt haben. "Mit dem strikt geheim gehaltenen Drohnenprogramm gibt sich die USA eine Lizenz zum Töten, die menschenrechtliche Standards und das Völkerrecht vollkommen ignoriert", erklärte der deutsche Ableger der Menschenrechtsorganisation.

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erhob in einem neuen Bericht schwere Vorwürfe gegen die Drohnen-Attacken. Einige der US-Angriffe im Jemen stellten einen eindeutigen Bruch des Völkerrechts dar, hieß es. Bei einer Attacke im August 2012 seien neben drei Al-Kaida-Mitgliedern auch zwei Männer getötet worden, die keinerlei Verbindung zu dem Terrornetzwerk gehabt hätten.

Kriegsverbrechen

"Die USA haben beim Einsatz bewaffneter Drohnen in Pakistan immer wieder Völkerrecht gebrochen. Bei einigen Angriffen kann es sich sogar um Kriegsverbrechen handeln", heißt es im Amnesty-Bericht. Die Ankündigungen von US-Präsident Barack Obama, dem Drohnenprogramm strengere Regeln und mehr Transparenz verordnen zu wollen, seien bis heute "leere Versprechen".

Amnesty-Mitarbeiter hätten 45 Drohnenangriffe untersucht, die zwischen Jänner 2012 und August 2013 in der schwer zugänglichen Bergregion Nord-Waziristan geflogen worden seien. Dabei wurde zum Beispiel eine 68-jährige Großmutter im Oktober 2012 vor den Augen ihrer Enkel bei der Feldarbeit getötet.

Kinder verletzt

Die Kinder seien bei einem zweiten Luftangriff verletzt worden. "Besonders perfide ist die Praxis, einem ersten Drohnenangriff kurz darauf den nächsten folgen zu lassen, der dann diejenigen Menschen trifft, die den Verletzten helfen wollten", urteilte Amnesty.

Als zweites Beispiel genannt wurde ein Fall vom Juli 2012: Damals seien 18 Zivilisten aus der Luft angegriffen worden, die sich nach ihrem Arbeitstag zum Abendessen zusammengesetzt hätten. Obwohl die Dorfbewohner nach Erkenntnissen von Amnesty "keinerlei Bedrohung darstellten", seien sie in offiziellen US-Berichten als militante Kämpfer bezeichnet worden.

Kritik an Deutschland

Amnesty fordert außerdem die deutsche Regierung auf, ihre Rolle bei den Angriffen offenzulegen. Nach Aussagen pensionierter pakistanischer Geheimdienstoffiziere aus diesem und dem vergangenen Jahr sollen "die Geheimdienste in Deutschland und anderen europäischen Staaten mit den USA und deren Drohnenprogramm in Pakistan zusammengearbeitet" haben.

Deutschland habe dem US-Geheimdienst CIA sogar Daten wie Handy-Nummern von späteren Drohnen-Opfern geliefert. Die deutsche Regierung verlasse sich auf die Selbstauskunft der USA, wonach das Völkerrecht eingehalten werde, teilte AI weiter mit.

Die deutsche Bundesregierung müsse endlich öffentlich einfordern, dass auch die USA sich an das geltende Recht halten. Deutsche Behörden dürften die rechtswidrigen Drohnenangriffe der USA nicht auch noch unterstützen. Der Pakistan-Experte von Amnesty sagte: "Wir veröffentlichen diesen Bericht, um Regierungen einschließlich der deutschen dazu zu drängen, ihre Rolle in dem US-Drohnenprogramm offenzulegen."

Regierung schweigt

Von der deutschen Regierung gab es zunächst keine offizielle Stellungnahme zu den Vorwürfen. Der Bundesnachrichtendienst (BND) wollte sich überhaupt nicht äußern. Im Zusammenhang mit ähnlichen Vorwürfen hatte der Dienst kürzlich aber erklärt, die Weitergabe von Mobilfunknummern Terrorverdächtiger an befreundete ausländische Geheimdienste sei rechtmäßig. Die Praxis gebe es schon seit 2003.

USA verteidigen Drohneneinsatz

Das Weiße Haus hat die erneut kritisierten US-Drohnenangriffe als "präzise, rechtmäßig und effektiv" verteidigt. Die Angriffe mit den unbemannten Flugkörpern erfüllten die Standards aller anwendbaren Rechtsvorschriften, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Dienstag in Washington. Dem von Amnesty International und Human Rights Watch erhobenem Vorwurf, die USA würden bei den Angriffen internationales Recht brechen, widersprach er mit Nachdruck. Washington sorge mit "äußerster Sorgfalt" dafür, innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu handeln.

Vor jedem Angriff müsse nahezu ausgeschlossen werden können, dass Unschuldige verletzt würden, sagte Carney. "Das ist der höchste Standard, den wir setzen können", sagte Carney. Der mögliche Tod von Zivilisten bleibe dabei eine "unbequeme Wahrheit". Bei seiner Einschätzung bezog er sich auf eine Rede von Präsident Barack Obama vom Mai, bei der Obama erstmals umfassend zu den Drohnenattacken Stellung bezogen hatte.

Immer wieder unschuldige Opfer

Die CIA setzt die unbemannten Flugzeuge ein, um gezielt mutmaßliche Aufständische zu töten, denen zuvor kein rechtsstaatlicher Prozess gemacht wurde. Dabei kommen immer wieder Unschuldige ums Leben.

Das "Büro für Investigativen Journalismus" in London schätzt, dass bei 376 CIA-Drohnenangriffen seit 2004 zwischen 2525 und 3613 Menschen getötet wurden. Darunter seien demnach zwischen 407 und 926 Zivilisten gewesen, wovon zwischen 168 und 200 Kinder waren.

Die Drohneneinsätze werden auch Thema beim Treffen des neuen pakistanischen Premierministers Nawaz Sharif mit US-Präsident Barack Obama an diesem Mittwoch in Washington sein. Die pakistanische Regierung fordert seit langem einen Stopp der Angriffe im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan, was die USA ignorieren. (APA, 22.10.2013)