Der Stinkefinger stößt allmählich ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung vor. Erinnerlich ist noch die Erregung über den deutschen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der auf dem Cover des Magazins der Süddeutschen die Faust ballte und den Mittelfinger steif wegstreckte. Das war seine Reaktion auf die Frage, was er sich bei Kritik an seiner Performance denke. Steinbrück hat mit dieser Erstaufführung einer obszönen Geste durch einen Kanzlerkandidaten Geschichte gemacht (ist wohl aber selbst schon Geschichte).

Der tschechische Aktionskünstler David Cerný hat aber jetzt im Wahlkampf sozusagen den Stinkefinger symbolisch überhöht: Auf der Moldau unter dem Hradschin mit dem Palast des tschechischen Präsidenten hat er auf einem Boot einen zehn Meter hohen lilafarbenen Stinkefinger angebracht: "Das ist ein normales Fucking-Zeichen für die kommunistischen besch...enen Bastarde auf der Burg." Gemeint ist der umstrittene tschechische Staatspräsident Milos Zeman, der massiv in die Politik eingreift, um die Linke (Kommunisten inklusive) an die Regierung zu bringen. Verglichen mit der sonstigen Tonalität des tschechischen Wahlkampfes (es kursiert ein Video, das angeblich Zemans Tochter bei einer Massenorgie zeigt) ist das feine Satire. Im Lichte dessen wird man vielleicht die Klagen über die Fadesse der österreichischen Regierenden neu bewerten müssen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 22.10.2013)