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"Die vorherrschende Meinung ist: Eine frischgebackene Mutter muss glücklich sein", sagt Gesundheitspsychologin Beate Wimmer-Puchinger. Beinahe jede Sechste hat dann aber Depressionen.

Foto: Reuters

Wien - "Die Ängste waren gleich da. Obwohl ich vorher dachte, es sei das Einfachste der Welt, mit einem Baby umzugehen, war das überhaupt nicht so", wird Herta S. in einer Broschüre des Gesundheitsministeriums zitiert. Das Heft zum Thema "Psychische und soziale Belastungen nach der Geburt" nimmt sich des Themas Postpartale Depression (PPD) an, also der Depression nach der Geburt eines Kindes. Ein Thema, das bis heute tabuisiert ist, obwohl es fast jede sechste Frau nach einer Geburt betreffen kann.

"Ich dachte, ich sei die Einzige", sind wiederum Caroline W.s Worte. "Wenn ich gewusst hätte, wie viele Frauen davon betroffen sind, das hätte mir sehr geholfen." Diesem Informationsmangel will das Gesundheitsministerium nun mit einer Broschüre entgegenwirken. "Erstmals wurde PPD 1858 von Louis Victor Marcé beschrieben", stellt Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) darin fest - und ergänzt: "Und sie gilt bis heute noch als Tabuthema."

"In Wien gut angenommen"

Vorreiter ist in diesem Fall Wien. Die Bundeshauptstadt hat bereits vor Jahren zu dem Thema einen fast identen Prospekt herausgebracht, Autorin ist in beiden Fällen Beate Wimmer-Puchinger, die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte.

Aus Stögers Büro heißt es dazu: "In Wien wurde das Angebot so gut angenommen, also haben wir uns entschieden, das bundesweit aktualisiert aufzulegen." Die Broschüre, die wiederum einem australischen Vorbild nachempfunden ist, soll online und auf Veranstaltungen verbreitet werden.

PPD betrifft verschiedenen Studien zufolge rund zehn bis 15 Prozent der Frauen nach einer Geburt. Knapp 78.000 Kinder kamen 2012 in Österreich zur Welt. Demnach hatten bis zu 11.700 Mütter eine dadurch bedingte Depression.

"Die PPD unterscheidet sich grundlegend vom Baby Blues", hält Gesundheitspsychologin Wimmer-Puchinger fest. Beim "Baby Blues" können Angstgefühle, Ungeduld und oftmaliges Weinen auftreten. Das geht in der Regel rasch vorbei.

"Eine Behandlung ist spätestens dann angebracht, wenn man nicht mehr mit dem Alltag zurechtkommt. Gedanken und Gefühle wie 'Ich bin so müde und kann dennoch nicht schlafen' oder 'Ich habe Angst, mein Baby zu verletzen' oder ,Alles wird mir zu viel' können darauf hindeuten", sagt Frauengesundheitsbeauftragte Wimmer-Puchinger.

Herzrasen und Schwindel

Körperliche Anzeichen können Herzrasen und Herzschmerzen sein, abwechselnde Hitze- und Kältegefühle, Schwindel und Zittern. Die PPD kann noch bis zu einem Jahr nach der Geburt auftreten. Das birgt auch die Gefahr, dass der Zusammenhang mit der Geburt nicht mehr gesehen wird. Frühzeitige Hilfe könne aber das Risiko von medizinischen Komplikationen mindern, sagt Wimmer-Puchinger.

Laut internationalen Studien können mehrere Faktoren die Gefahr für eine Depression nach der Geburt verstärken: Das kann fehlende soziale Unterstützung sein, geringe Zuwendung durch den Partner, soziale Benachteiligung sowie eine bereits bestehende Depression.

Für Frauen, bei denen die Depression nicht erkannt wird, kommt in dieser belastenden Situation noch hinzu, dass sie oft Schuldgefühle entwickeln, weil sie nicht dem Ideal der strahlenden Mutter entsprechen. "Die vorherrschende Meinung ist: Eine frischgebackene Mutter muss doch glücklich sein!", sagt Wimmer-Puchinger.

Der Frauengesundheitsbeauftragten zufolge ist in Wien ein breites Netzwerk zu "perinatalen Krisen" verfügbar. In den meisten anderen Bundesländern gebe es aber Lücken, "wenn es nicht von praktischen Ärzten, Geburtshelferinnen und Kinderärzten erkannt wird" beziehungsweise spezialisierte Therapeuten fehlen. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 22.10.2013)