Es sind drastische Bilder: Bewohner der Färöer-Inseln treiben mit Motorbooten dutzende Grindwale ans Land. Die gestrandeten Tiere werden von hunderten Menschen geschlachtet. Viele Männer stehen brusthoch im vom Blut dunkelrot gefärbten Meereswasser. Kollege Georges Desrues brachte von seiner Pressereise auf die Inselgruppe im Nordatlantik auch Schilderungen über genau jenes Walfleisch mit, die im Ressort Lifestyle erschienen. Astrid Fuchs von der Organisation Whale and Dolphin Conservation (WDC) schrieb daraufhin eine E-Mail. Sie sei enttäuscht über die unkritische und undifferenzierte Erwähnung von Grindwalfleisch als Teil der färingischen Kultur und Küche.
"Anstatt Ihren Lesern und potentiellen Besuchern der Faröer Inseln das Gefühl zu vermitteln, dass es sich bei den Delfintreibjagden um eine positive Tradition handelt und das Kosten des Fleisches für Touristen quasi 'zum guten Ton' gehört, wäre der Artikel eine gute Gelegenheit gewesen, Ihre Leser aufzufordern, dieses Fleisch eben nicht zu probieren und sie differenziert zu informieren", sagt Fuchs.
Wie legitim sind diese Argumente? Es sieht drastisch und grausam aus, aber das sind die wenigen verfügbaren Bilder aus heimischen Schlachthöfen ebenso. Auch dort läuft das kommerzielle Töten nicht immer schnell und fehlerfrei ab. Nicht umsonst winken alle Betreiber von Schlachthäusern seit Jahren ab, wenn man als Journalist um einen Einblick für eine Reportage anfragt. Was also bei uns hinter verschlossenen Türen stattfindet, ist dort für alle Augen – sogar jene der Touristen und Journalisten – sichtbar. Auch die Kinder erleben das Schlachten mit, viele bekommen dafür sogar schulfrei. Der Grindwal ist außerdem nicht gefährdet und die Bewohner der Färöer-Inseln sehen das Walfleisch als Teil ihrer Tradition. In den vergangenen Jahrhunderten sicherte das Fleisch der Wale und Delfine den Menschen das Überleben.
Doch diese Situation habe sich eben in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend geändert, betont Fuchs. Der Grindwal sei zwar nicht auf der Roten Liste. Aber die Jagd ist nicht die einzige Art ist, wie der Mensch den Grindwal heute gefährdet: Plastikreste, Schiffslärm und Schadstoffe reduzieren die Zahl der Tiere immer mehr.
Stumpfe Harpunen in Atemloch
Schließlich steht vor allem die langsame und stressige Tötung dieser Delfinart in der Kritik: Denn sobald die Tiere stranden, werden ihnen stumpfe Metallhaken in die Atemlöcher geschoben, um sie an den Strand zu ziehen, wo sie mit einem Messer oder einer spitzen Lanze getötet werden. Vor einigen Jahren beschrieb ein Autor der "Zeit" seine Beobachtungen folgendermaßen: "Dann zerren sie die in Panik wild um sich schlagenden Tiere in Richtung Strand. Dort versuchen sie, die Hauptschlagader zu durchtrennen; aber die liegt tief, und die Wale sind stark." In diesem Jahr wurden seit Juli insgesamt 1414 Grindwale und Weißseitendelfine getötet, berichtet der WDC.
Obwohl der wissenschaftliche Rat besteht, die Jagden nachhaltig zu betreiben, setzt sich das weisungsbefugte wissenschaftliche Gremium (NAMMCO) aus Walfangnationen zusammen. Diese sind in der Regel natürlich an einem Fortbestehen der Jagden interessiert. Selbst NAMMCO hat jedoch erkannt, dass Fischerei und Verschmutzung der Meere auf lange Sicht die Gesundheit der Populationen beeinträchtigt. "Die Populationsgrößen der auf den Faröern gejagten Arten bleiben umstritten, weil mangelhafte Untersuchungsergebnisse akkurate Schätzungen zur Populationsdichte verhindern, was NAMMCO auch selbst einräumt", sagt Astrid Fuchs.
Gesundheitliche Aspekte
Und eben gerade die Umweltverschmutzung führt nun dazu, dass der Konsum von Grindwalfleisch allmählich kritischer betrachtet wird. Denn die Konzentration an Quecksilber im Walfleisch ist teilweise so hoch, dass der Färinger Gesundheitsministerium bereits im November 2009 vor dem Konsum warnte. Besonders schwangere oder stillende Frauen sollten ganz auf das Fleisch verzichten. Zusätzlich hätten neuere Studien eine Verbindung zum Auftreten von Parkinson, Arteriosklerose und Typ II Diabetes bei erwachsenen Färingern aufgedeckt, berichtet der WDC.
Dennoch bleibt es den Menschen überlassen, ob sie sich dazu entscheiden wollen, weiterhin Walfleisch zu essen. Denn die Jagd ist meist nicht kommerziell, der Fang wird an alle beteiligten Familien verteilt. Eine Frage, die sich Touristen in dem Zusammenhang aber gefallen lassen müssen ist: Muss man auf der Suche nach dem nächsten kulinarischen Kick die Nachfrage steigern? (derStandard.at, 22.10.2013)