Am Rande der Sozialpornografie, aber sehr behutsam und herzlich: "Kunstgastgeber Gemeindebau".

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Wien - Eine Gruppe von Kunstinteressierten drängt sich in eine Gemeindebauwohnung am Rennbahnweg 27 in Wien Donaustadt. "Auf der Couch ganz eng zusammenrücken", bittet Bewohnerin Agnes Wohlrab.

Dann liest die Künstlerin Fanni Futterknecht einen Text. Stellvertretend für ihre "Kunstgastgeberin" Wohlrab spricht sie über die jugendliche Energie des Rock 'n' Roll der 50er-Jahre, über jene Faszination, die auch Wohlrabs Wohnungseinrichtung bestimmt. Ein Elvis-Imitator tritt auf.

Abschließend lädt die Gastgeberin zu einem Mini-Tanzkurs ein: Für den Rock-'n'-Roll-Grundschritt sucht sich jeder einen Partner. Für Momente wird die Wohnung im achten Stock zum Ballsaal und platzt dabei natürlich fast aus den Nähten.

Zu erleben ist all dies im Rahmen der dritten Auflage des Projekts "Kunstgastgeber Gemeindebau". Das Konzept: Bewohner entwickeln gemeinsam mit Künstlern kleine Performances, Interventionen, oder auch Objekte, die dann in deren Wohnungen zu sehen sind. Durch elf der rund 2400 Rennbahnweg-Wohnungen führt der Rundgang.

Inhaltliche Direktiven erteilte Kurator Gerald Straub kaum, beim Motiv des "Können-Wollens" war es ihm wichtig, "die Autonomie der Bewohner zu wahren". Der Kontrast von Enge und Weite ist dennoch ein wiederkehrendes Motiv: Von einem Balkon hängen die Worte "Mir fehlt das Meer", während von innen ein Strand projiziert ist. In einer Wohnung wurden Motive für Postkarten geschossen, die man auch gleich von dort verschicken kann.

Mit Klischees soll aufgeräumt werden, wenn es zu erraten gilt, ob der türkische Familienvater und MA-48-Mitarbeiter Osman Yildirim Sportschütze, Journalist oder Nietzsche-Leser ist.

Ein Problem des Projekts ist die hohe Programmdichte: Mancher Bewohner hätte gerne mehr Zeit mit seinem ungewohnten Besuch. (Roman Gerold, DER STANDARD, 19.10.2013)