Wien - In der Causa um den US-Milliardenbetrüger Bernard Madoff hat seine Wiener Geschäftspartnerin Sonja Kohn, Gründerin der nicht mehr existenten Bank Medici, ein Verfahren in Großbritannien gewonnen. Der Madoff-Masseverwalter Irving Picard hatte sie auf 60 Mio. Dollar geklagt, blitzte damit aber ab. Das Londoner Gericht habe festgestellt, dass Kohn Opfer von Madoff war und sie und ihre Familie selbst Geld bei ihm verloren hätten, berichtete Kohns Wiener Anwalt Clemens Trauttenberg am Freitag.
Kohns Vermögens sei schon am Donnerstag wieder freigegebenen worden. Der Beschluss, ihr Vermögen auf der ganzen Welt einzufrieren, war im Zusammenhang mit dem Londoner Verfahren erlassen worden. Es hätte als Sicherstellung für den Fall, dass Picard gewinnt, gedient. Der Masseverwalter war der Meinung, dass Kohn vom Madoff'schen Schneeballsystem gewusst und ordentlich mitgeschnitten hat.
Ursprünglich hatte Picard in London 60 Mio. Dollar von der Bankerin eingeklagt, im Laufe des Verfahrens wurden die Forderungen auf 27 Millionen reduziert. Es ging um Gebühren für Geschäftsanbahnungen, die Kohns Firmen dem Betrüger Madoff verrechnet haben.
Für den Londoner Richter waren die Zahlungen an Kohn "nichts anderes als eine angemessene Entlohnung für die von ihr rechtmäßig erbrachten Leistungen", wie es in dem Urteil laut Trauttenberg heißt. Kohn habe keinen Grund gehabt zu vermuten, dass die Vermögensverwaltung Madoffs ein betrügerisches System war.
"Gewisse Genugtuung"
Für seine Mandantin sei es "eine gewisse Genugtuung, dass Gerichte nicht mit Vorurteilen agieren, sondern nach genauer Analyse des Sachverhalts zu einem wohlfundierten Urteil kommen", meinte Trauttenberg.
Der Richter ging den Angaben zufolge auch hart mit Picards öffentlichen Angriffen auf Kohn ins Gericht - er hatte sie einmal als "kriminelle Seelenverwandte" Madoffs bezeichnet: Kohn habe "giftige Presseaussendungen" über sich ergehen lassen müssen, sei Gegenstand einer weltweiten Sicherstellungsentscheidung gewesen und habe eine umfassende Offenlegung von Vermögen und Angelegenheiten ihrer Familie erdulden müssen. "Ihre Ehrlichkeit und Integrität haben sich bewährt. Ihre resolute und gemäßigte Art, die sie im Verfahren an den Tag gelegt haben, macht ihnen alle Ehre", schreibt der Richter. Das Urteil ist vorerst rechtskräftig. In England müssten nämlich Rechtsmittel extra beantragt werden, erläuterte Trauttenberg.
Heimische Justiz ermittelt
Der Rechtsvertreter sieht den britischen Entscheid als "wegweisend" für die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Kohn in Österreich. Die heimische Justiz ermittelt in der Causa Madoff seit nunmehr vier Jahren gegen die Geschäftsfrau sowie (ehemalige) Verantwortliche bei der Bank Austria und bei der Bank Medici. Es geht u. a. um den Verdacht von Untreue und Betrug. Die Beschuldigten hatten stets betont, selbst Opfer von Madoff geworden zu sein. In Österreich sind einige Millionen an Anlegergeldern über die Fonds "Primeo" (vertrieben zum Beispiel von der Bank Austria) und "Herald" bei Madoff versickert. Das beschäftigt auch die Zivilgerichte hierzulande.
Kohn ist darüber hinaus in den USA mit einer Millionenklage konfrontiert. Sie soll insgesamt mehr als neun Mrd. Dollar für Madoff eingesammelt haben.
Der einstige US-Börseguru Bernie Madoff wurde 2009 zu 150 Jahren Haft verurteilt. Er hat ein riesiges Schneeballsystem aufgezogen, das erst mit der Finanzkrise aufflog. Schaden: 65 Milliarden Euro. (APA, 18.10.2013)