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Minna Kauppi ist einer der Stars im Orientierungslaufen und neunfache Weltmeisterin. 2010 wurde sie zur Sportlerin des Jahres in Finnland gekürt.

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Gernot Kerschbaumer ist Militär-Weltmeister.

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Åhus/Wien - Zu wissen, was kommt, obwohl es noch nicht da oder sichtbar ist: Mit dieser Gabe lassen sich in der Wirtschaft Millionen und auch Milliarden verdienen. Im Orientierungslauf gewinnt man damit Rennen. Gibt's dafür noch ein paar Hundert Euro dazu, sind die Sportler schon glücklich.

Gernot Kerschbaumer nimmt Steine, Felsen, Senken, Sümpfe, Hügel, Gräben, Bäche oder das Dickicht im Unterholz des Waldes wahr, da hat er sie noch gar nicht selbst gesehen. Der 30-jährige Burgenländer liest den Großteil dieser Objekte blitzschnell aus einer detailgenauen Karte heraus, dazu kommt mit den Höhenlinien der dreidimensionale Bereich. Während sich selbst geübte Wanderer schwertun, diese Dinge im Stehen nach dem Einnorden der Karte zu erkennen, checkt das Kerschbaumer mit seinem Kompass im vollen Lauf. "Mit einem Auge bin ich auf der Karte, mit der anderen am Boden. Bei Eliteläufen ist Stehenbleiben nicht mehr drin", sagt er dem Standard.

Kerschbaumer ist Weltklasse in einer Disziplin, die in Österreich ein eher bescheidenes Dasein fristet. Das ist einer der Gründe, wieso sich Kerschbaumer als zweite Heimat Schweden ausgesucht hat - obwohl es da wie dort Wälder gibt.

Nahe Åhus, seiner derzeitigen Homebase in Südschweden, wo er die Hälfte des Jahres verbringt, findet er ausgezeichnete Trainingsbedingungen vor. Zudem startet er für einen lokalen Klub. "In Schweden wird Orientierungslaufen mehr Aufmerksamkeit geschenkt, der Stellenwert ist hoch", sagt er. "Die Sportart hat zwar auch hier gegen Fußball keine Chance. Aber jeder kennt sie von der Schule her."

Ohne Sportförderungen und Heeressportzentrum (HSZ) wäre Orientierungslauf für viele heimische Athleten maximal als Hobbysport möglich. Sponsoren gibt es schon, sie leisten aber materielle und fast keine finanziellen Zuschüsse. Maximal neun Jahre können sich Sportler beim Heer verpflichten, Kerschbaumers Zeit ist im November 2011 abgelaufen. "Aber ich habe Anspruch auf drei Jahre Berufsförderung durch das Heeres-Personalamt bekommen." Kerschbaumer nützt die Zeit und belegt ein Fernstudium für Wirtschaftswissenschaften.

Für die Unterstützung des Heeres hat sich Kerschbaumer bedankt, 2011 wurde er über die Langdistanz Militär-Weltmeister in Rio de Janeiro, über die Kurzstrecke gab's Silber. Im August 2014 findet die Militär-WM in Güssing statt, fürs Heimspiel hat er sich einiges vorgenommen.

Auch in Zivil ist Kerschbaumer flott unterwegs. Bei den World Games der Nichtolympischen Sportarten im August dieses Jahres in Cali, Kolumbien, gewann er mit Robert Merl, Anna Nilsson Simkovics und Ursula Kadan in der Staffel Bronze. "Mein Traum wäre eine Medaille bei einer zivilen WM" , sagt Kerschbaumer. Im Juli in Vuokatti, Finnland, belegte er über die Mitteldistanz (6,3 km) Rang 15.

"Es kann für Athleten ziemlich teuer werden, den Sport zu betreiben", sagt Elisabeth Speiser, Generalsekretärin des Fachverbandes für Orientierungslauf (ÖFOL). Zwar findet der Großteil der Bewerbe in Europa statt, Kerschbaumer lief heuer aber auch schon in Neuseeland. Der Verband hilft, wo es geht. "Bei der EM 2012 in Schweden konnten wir uns keine Pension leisten", sagte Speiser. "Da habe ich gekocht. Und bei der EM 2014 in Lissabon müssen die Sportler wieder mit meinen Kochkünsten vorliebnehmen."

Kerschbaumer kam im Gymnasium in Oberschützen auf den Orientierungslaufgeschmack, der Sportlehrer trug viel dazu bei. Was er an dem Sport in der Natur so schätzt? "Du musst mit Kompass und Karte die Richtung zum nächsten Kontrollposten bestimmen. Im Wald stehen dir 360 Grad offen, weichst du nur ein paar Grad vom Weg ab, kommt auf 100 Meter ein ordentlicher Umweg zusammen. Oft entscheiden erst die letzten Meter vor einem Hindernis wie einem Felsen, ob man direttissima laufen kann - oder doch einen Rundweg nehmen sollte."

Ein hilfreicher Ast

Im Wald passiert mit der Karte in der Hand dann schon allerhand. "Ein Laufkollege ist bei einem Wettkampf in einem Sumpf gesteckt, er konnte sich aber an einem Ast festhalten. Ein nachkommender Zweiter war zeitlich gut unterwegs, er erkundigte sich kurz, ob alles passt. Er wollte nur kurz ins Ziel laufen und dann mit Hilfe zurückkommen. Im Ziel hat er voller Euphorie aber auf den Kollegen im Wald vergessen, erst zwei Stunden später ist es ihm wieder eingefallen." (David Krutzler, DER STANDARD, 18.10.2013)