Berlin - Es gab Autobahnen ohne Autos, Sprit, gehamstert in doppelten Tanks, und Behörden, die die Heizungen runterdrehten - der Ölpreisschock von 1973 hat sich eingebrannt in das Gedächtnis der Nachbarn. Wann immer das schwarze Gold teurer wird, kommt die Furcht vor einer neuen Ölkrise, auch 40 Jahre nachdem die Lieferländer den Westen in den Schwitzkasten nahmen. Doch Fachleute halten eine vergleichbare Krise heute für wenig wahrscheinlich.

"Benzin ausverkauft"-Schilder an Tankstellen, Hauptstraßen wie der Berliner Kudamm voller Spaziergänger - diese Schwarz-Weiß-Bilder hängen längst in Museen. Für die Industriestaaten in den 70ern aber standen sie für eine existenzielle Bedrohung: Am 17. Oktober 1973 drehten die arabischen Erdölexporteure den Ölhahn zu und würgten damit im Westen einen jahrzehntelangen Aufschwung ab.

Billig und unbegrenzt

Die Nachkriegswirtschaft war es bis dahin gewohnt, dass das Öl billig und scheinbar unbegrenzt aus dem Mittleren Osten fließt. Es hat vielerorts beispiellosen Wohlstand und Vollbeschäftigung genährt. Aber der Entzug in den 70ern brachte auch andere Bilder: Stillgelegte Fabriken und Schlangestehen vor den Arbeitsämtern.

Der israelisch-arabische Jom-Kippur-Krieg führte dazu, dass die Förderländer das Öl erstmals als Waffe nutzen. Die OPEC (Organisation Erdöl exportierender Länder) verhängte ein Embargo gegen die USA und die Niederlande, die übrigen Industrieländer erhielten auf einmal viel weniger Öl von den Arabern. 1973 kostete ein 159-Liter-Fass drei Dollar - 1979, auf dem Höhepunkt der zweiten Ölkrise, waren es 38 Dollar für ein Barrel.

Doch anders als oft behauptet kam das nicht ganz überraschend, wie der Bochumer Historiker Rüdiger Graf meint. "Es gab vorher schon Indizien für eine Versorgungskrise", sagt er und verweist auf frühere Konflikte wie die Suez-Krise 1956 und den Sechs-Tage-Krieg 1967. Experten hätten schon damals über den rasant steigenden Ölverbrauch diskutiert, erst recht, als die USA um 1970 die Förderung im eigenen Land bis ans Limit trieben.

Noch 1973 verordnete die deutsche Bundesregierung vier autofreie Sonntage und ein vorübergehendes Tempolimit - 100 Stundenkilometer auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen. Auch hierzulande wurde als Sparmaßnahme ein autofreier Tag pro Woche verordnet. Später mussten die Bürger lernen, im Frühling und Herbst die Uhren umzustellen, um das Tageslicht optimal zu nutzen und Energie zu sparen - was übrigens als gescheitert gilt.

Anders aufgestellt

Noch 1973 beschloss die deutsche Bundesregierung, 40 Atomkraftwerke zu bauen. Großbritannien und Norwegen holten mit Bohrinseln Öl aus dem Boden der Nordsee und zählen heute zu den wichtigen deutschen Öllieferanten - jedoch mit deutlichem Abstand hinter Russland. Deutschland deckt nur noch ein Drittel seines Primärenergiebedarfs mit Öl - vor vierzig Jahren war es mehr als die Hälfte. "Wir sind völlig anders aufgestellt", sagt Hubertus Barth, Energieexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Die OPEC könne nicht mehr so einen großen Teil des Ölflusses steuern wie in früheren Jahrzehnten. "Nur bei einem Flächenbrand am persischen Golf wäre so etwas wie eine neue Krise denkbar."

Begrenzte Konflikte aber hält das System aus. Als der Bürgerkrieg in Syrien tobte, zapften die Industriestaaten 2011 ihre Notfallreserven an und brachten weltweit die Ölpreise ins Rutschen - koordiniert von der Internationalen Energieagentur, in der sich nach der Ölkrise 28 Länder zusammenschlossen, um ihre Versorgung sicherzustellen. Ihre Reserven reichen für 146 Tage.

Die Ölkrise hat unser Wirtschaften grundlegend geändert, meint Historiker Graf. "Wir haben eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch." Bis in die 70er habe Wachstum stets bedeutet, dass im gleichen oder noch höheren Maße der Verbrauch wachse. Wenn irgendwann die Ölreserven zur Neige gehen, werde es aber auch substanzielle Preissteigerungen geben, sagt Graf. "Aber das ist ein längerer Prozess mit Anpassungsmöglichkeiten." (APA, 16.10.2013)