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Helmut Kohl gilt als einer der Väter des Euro und als Verfechter der Einbindung des geeinten Deutschlands in Europa.

Foto: ap/Daniel Biskup/Coordt von Mannstein

Es ist eine Binsenweisheit, dass die Krise der Eurozone das Vertrauen der Bürger in die EU - und allgemein in die europäischen Institutionen - in allen Mitgliedsstaaten verringert hat. Jüngsten Berichten zufolge haben besonders die Deutschen Europa den Rücken gekehrt.

Aus einem kürzlich erschienenen Vermerk von Open Europe geht hervor, dass deutsche Bürger dem Europäischen Parlament weniger vertrauen als dem Bundestag, und dass ein Trend dahingehend vorliegt, dass Deutsche generell weniger Vertrauen in die EU-Institutionen haben als zu Beginn der Krise. Der Europäische Rat stellt fest: "Das Vertrauen in die EU ist auf dem gesamten Kontinent abgestürzt. Sowohl die Schuldner aus dem Süden als auch die Kreditoren aus dem Norden sehen sich als Opfer." Und ein Bericht des Pew Research Center mit dem Titel "Der neue kranke Mann Europas: Die EU", schließt mit der Bemerkung: "Das europäische Projekt ist in weiten Teilen Europas in Misskredit geraten".

Dies ist schlicht falsch. Tatsächlich ist das Vertrauen der Deutschen in den Euro während der Krise gestiegen, und obwohl ihr Vertrauen in die EU-Institutionen bis vor ein paar Jahren gefallen ist, hat es sich jetzt wieder erholt.

Der beste Indikator für die Meinung der Deutschen zum Thema Euro ist eine seit 2002 regelmäßig durchgeführte Umfrage, bei der eine einfache Frage gestellt wird: "Sind Sie für eine Wiedereinführung der Deutschen Mark?".

Der Anteil derer, die die DM zurück wollen, ist zuletzt stetig gesunken und liegt jetzt bei etwa 35 Prozent. Der Anteil derer, die den Euro behalten möchten, ist dagegen durch die Krise hindurch ständig gestiegen und liegt bei 50 Prozent. Der Trend einer zunehmenden Akzeptanz des Euro begann 2008, zu Beginn der globalen Finanzkrise, und ist trotz Schuldenkrise der Eurozone seit 2010 weiter gestiegen.

Es sieht so aus, als hätte die Krise die Deutschen dazu gebracht, sorgfältiger über die Bedeutung einer gemeinsamen Währung nachzudenken. Die deutsche Öffentlichkeit wurde umfassend über die potenzielle Steuerbelastung einer Rettung Griechenlands und anderer Länder informiert. Trotz dieser hohen potenziellen Kosten sind die Deutschen zunehmend zu dem Schluss gekommen, dass sie den Euro behalten wollen.

Sogar aus dem Pew-Bericht geht hervor, dass 52 Prozent der Deutschen glauben, "ihre Regierung solle anderen EU-Ländern helfen, die große finanzielle Schwierigkeiten haben". Außerdem ist Deutschland kein Sonderfall. Im Durchschnitt hat das Vertrauen in die EU-Institutionen europaweit nur geringfügig abgenommen, und dieser Trend wird hauptsächlich von der überdurchschnittlichen Abnahme des Vertrauens in vier Ländern an der Peripherie der Eurozone bestimmt: Spanien, Griechenland, Portugal und Irland. Noch wichtiger ist jedoch, dass das Vertrauen in die EU-Institutionen in diesen Ländern immer noch höher ist als in die nationalen Institutionen.

Was also allgemein als eine umfassende Vertrauenskrise wahrgenommen wird, ist lediglich eine verallgemeinerte Vertrauenskrise hinsichtlich aller offiziellen EU-Institutionen in der Peripherie. In Deutschland ist das Vertrauen in das Schlüsselelement der EU, den Euro, stetig gewachsen.

Dieser fundamentale Trend trägt auch zum Verständnis des deutschen Wahlergebnisses bei. Angela Merkel hat ihren Wahlkampf auf ihre "Eurorettung" aufgebaut und damit einen überragenden Sieg errungen. Die einzige offene Anti-Euro-Partei ist an der Fünfprozent-Hürde gescheitert und nicht im Bundestag vertreten.

Es gibt viel Spekulation darüber, wie sich die nächste Regierung Merkels zusammensetzen und was das für die deutsche Haltung gegenüber Europa bedeuten wird. Aber die Details der Koalitionspolitik in Deutschland sind für Europa wesentlich weniger wichtig als die breite Unterstützung des Euros in Deutschland. Deutschland wird der Einheitswährung nicht den Rücken zudrehen - und auch nicht dem europäischen Projekt im allgemeinen. (Daniel Gros, Übersetzung: Eva Göllner, © Project Syndicat, DER STANDARD, 15.10.2013)