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Warschaus Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz werden vor allem bürgerferne Amtsführung und Planungschaos vorgeworfen.

Foto: AP/Sokolowski

Die Sieger von Warschau üben Selbstkritik

Bürgermeisterin bleibt im Amt – Regierung akzeptiert "gelbe Karte" der Wähler

Ein solches Waterloo hatte Polens rechtsnationale Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht erwartet. In Warschau scheiterte am Sonntag das Referendum zur Abberufung der Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz. Statt der erforderlichen 30 Prozent betrug die Wahlbeteiligung nur 25,6 Prozent. Dabei hatte PiS-Vorsitzender Jarosław Kaczyński zuvor noch von einer "heiligen und patriotischen Pflicht"  jedes Warschauers gesprochen.

Doch auch bei der regierenden Bürgerplattform (PO) knallten am Sonntagabend keine Sektkorken. Vielmehr übten sich die liberal-konservativen Politiker in Selbstkritik. Sie akzeptierten die "gelbe Karte"  der Wähler und versprachen Besserung. Denn die Masse der Wähler war zwar dem PO-Aufruf zum Boykott des Referendums gefolgt, doch diejenigen, die dennoch teilgenommen hatten, forderten zu mehr als 90 Prozent die Abberufung von Gronkiewicz-Waltz. Nur fünf Prozent der Teilnehmer sprachen sich für den Verbleib der 60-jährigen Juristin und Exnationalbankchefin auf ihrem derzeitigen Posten aus.

Massive Kritik hatten sie und ihre Mitarbeiter für die Art der Amtsführung auf sich gezogen. Die Warschauer Behörden, allen voran die Stadtpräsidentin, wie die Oberbürgermeisterin offiziell heißt, regierten die Stadt arrogant und bürgerfern, so der Vorwurf. Zudem nervten die Pannen, die insbesondere mit dem Hoch- und Tiefbauamt der Stadt zu tun haben. Tatsächlich hinkt der Bau der zweiten Metrolinie dem Plan bereits mehr als ein Jahr hinterher. Ein wichtiger Stadttunnel musste wegen Wasserschadens monatelang für den Verkehr gesperrt werden. Die ganze Stadt wirkt wie ein riesiger Bauplatz. Zudem sind die Umfahrungsstraßen noch immer nicht fertig, sodass sich auch noch der Ost-West-Transitverkehr durch die Hauptstadt quält. Die Folge: Staus, Lärm, Gestank.

Pluspunkt Öffis

Doch es gibt auch Pluspunkte. Der öffentliche Nahverkehr in Warschau gilt als hervorragend. In den vergangenen Jahren wurden die meisten Straßenbahnen und Busse erneuert. Sie sind nun klimatisiert, behindertengerecht und auch mit Kinderwagen problemlos zu nutzen. Die Systeme wurden vereinheitlicht und können nun mit einem Ticket für Regional- und Stadtverkehr genutzt werden. Es gibt immer mehr Radwege. Entlang der Weichsel entsteht endlich ein Boulevard, und auch wenn die Stadtplanung noch sehr zu wünschen übrig lässt, so zieht die Stadt doch Investoren an.

Allen ist klar, dass das Referendum ein wichtiges Signal für die Wahlen ist, die 2014 und 2015 in Polen anstehen – Kommunalwahlen und EU-Wahlen 2014, ein Jahr später die Wahlen zu Sejm und Senat, den beiden Parlamentskammern. Politische Beobachter weisen darauf hin, dass die linke wie auch die rechte Opposition, die das Referendum gemeinsam initiiert hatten, nun auf eine langfristige Passivität der PO-Wähler hoffen könnten.

Die Regierung unter Premier Donald Tusk hingegen müsse sich klarmachen, dass das Referendum mit einem Zeitverzug von zwei Jahren zum Machtverlust führen könne, wenn sie nicht endlich wieder die politische Initiative ergreife. (Gabriele Lesser aus Warschau, DER STANDARD, 15.10.2013)