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Kein Platz für Luchse? Das kann nicht sein, sagt Wildtier-Experte Helmut Steiner.

Foto: APA/dpa

Wien - Immer wieder sorgen Berichte über eigentlich unter Schutz stehende Greifvögel, die abgeschossen wurden oder an Giftködern verendet sind, in Österreich für Schlagzeilen. Auch bodenbewohnende Raubtiere wie der Luchs stoßen auf wenig Akzeptanz - von Wölfen oder Bären ganz zu schweigen.

Helmut Steiner vom Institut für Wildtierforschung und -Management wies nun anlässlich einer in Linz stattfindenden Tagung von BirdLife Österreich auf die ökologische Bedeutung solcher Spezies hin. Unter anderem können große Räuber einer Verringerung der Artenvielfalt unter Kleintieren entgegenwirken, auch wenn das auf den ersten Blick paradox klingen mag.

Wird etwa das Brutrevier eines Habichts durch Abschuss frei, können sich bis zu vier Sperberpaare dort breitmachen. Damit gibt es also noch mehr "Räuber", die Jagd auf Kleintiere machen. "Der Mensch greift zurzeit schon sehr stark in das Räuber-Beute-Verhältnis ein, aber er versteht das System noch zu wenig", sagt Steiner. Meist beeinflussen einander nicht nur zwei Arten, sondern es sind oft viele Tierarten voneinander abhängig. Wird der Habicht verfolgt, gibt es nicht auf einmal mehr Fasane und Rebhühner, weil Arten wie der Sperber stark zunehmen, sagte er.

Unzureichender Schutz

Dabei ist es illegal, Habichte zu schießen oder Fallen aufzustellen, denn sie haben ganzjährig Schonzeit, so Steiner. "Es wird aber nicht wirklich kontrolliert, was da passiert", sagte er. So gäbe es heute um 80 Prozente weniger Habichte als vor zwanzig Jahren.

"Die jungen Adler, die man für die Forschung mit Satellitensendern versehen hat, wurden alle abgeschossen, keiner von ihnen wurde erwachsen", sagte Steiner. Er plädierte für Bewusstseinsbildung und Aufklärung "bis zu den Hegeringleitern und Ortjägerobmännern" sowie Sanktionen. "Diese Arten vertragen die illegalen Abschüsse nicht. Es kann nicht sein, dass sie jahrzehntelang und in diesem Ausmaß stattfanden und keinerlei rechtlichen Konsequenzen für die Täter hatten."

Auch in Nationalparks und europäischen Natura 2000-Schutzgebieten sollte man stärker auf die Wechselwirkungen zwischen den vielen Arten achten und nicht nur einzelne Tierarten hervorheben. Bei den Felsbrütern würde zum Beispiel das Vorkommen von Adlern die Uhus beeinflussen und diese wiederum die Wanderfalken.

Experte will großflächige Lebensräume für "starke" Räuber

"Es ist wichtig, dass man den Tieren möglichst große Flächen bietet und weiter über die komplexen Zusammenhänge zwischen den Tierarten forscht, denn davon verstehen wir noch zu wenig", so Steiner. So habe man noch nicht "in der ganzen Konsequenz" durchgedacht, was passiert, wenn der Luchs großflächig eingebürgert wird. "Der Luchs ist ein kräftiger Prädator und er kann möglicherweise die Rehbestände kontrollieren", so Steiner. Damit könnte der Wildverbiss vor allem in den Hochlagen verringert werden, was auch für den Lawinenschutz durch Bannwälder vorteilhaft wäre.

"In Finnland wurden durch die landesweite Ausbreitung des Luchses auch die Fuchspopulationen reduziert, und seitdem gibt es dort mehr Kleintiere wie Schneehasen und Raufußhühner", erklärte er. Man müsse die "starken" Räuber wie Adler und Luchse auch in der Kulturlandschaft leben lassen - und zwar nicht nur punktförmig, sondern großflächig, meint Steiner. "Es ist eine unehrliche Kampagne, wenn man sagt, sie haben bei uns keinen Lebensraum mehr", erklärte er. (APA/red, derStandard.at, 11. 10. 2013)