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Kommunale Aufträge zielen nur zum Teil auf die Bauwirtschaft ab. Der Magistrat Wien hat sich heuer etwa um mehr als 510.000 Euro mit Glühleuchten eingedeckt.

Foto: dpa/Rainer Jensen

Zu groß, zu kompliziert, zu unrentabel: Öffentliche Aufträge stehen in der Gunst kleiner Betriebe weit unten. Leere Gemeindekassen haben für sie viele Geschäfte zerbröseln lassen. Zum Zug kommen zunehmend Anbieter aus dem Ausland, die mit Dumpingpreisen den Sprung nach Österreich schaffen und den hiesigen Markt ruinieren. So weit die Klagen der Sozialpartner. Die Portale von Informationsdiensten rund um Ausschreibungen zeigen jedoch ein anderes Bild: eines, in dem kaum grenzüberschreitender Wettbewerb herrscht und sich Aufträge auf viele kleine Betriebe verteilen.

Die EU-weite Veröffentlichungsplattform Ted registrierte heuer von Jänner bis August 1980 Ausschreibungen - vergeben wurden sie an insgesamt 1213 Unternehmen. Gewonnen haben sie zu mehr als 91 Prozent österreichische Betriebe, rechnet Heinz Derndorfer, der für die Tender-Gruppe den Dienstleister infodienst-ausschreibungen.at führt, vor. Gemäß dem Auftragnehmerkataster Österreich Ankö sichern sich ausländische Anbieter überhaupt nur 0,5 Prozent der Aufträge. Vereinschef Alfred Jöchlinger, sieht Schreckgespenster an die Wände gemalt, die mit der Praxis nur wenig gemein hätten und eher dazu dienten, es sich im eigenen Land "kommod einzurichten".

In viele Ausschreibungen würden über Anforderungen Hürden eingebaut, die schon von vornherein die Zahl möglicher Bieter beschränkten. "Ob sie sich sachlich rechtfertigen lassen, ist infrage zu stellen." Wobei freilich auch viele andere Länder wie Frankreich ein Meister des Abschottens seien.

Derndorfer macht zudem nationale rechtliche Unterschiede und Sprachbarrieren als Grund für das geringe grenzüberschreitende Engagement bei öffentlichen Aufträgen aus. "Für viele lohnt es sich halt einfach nicht." Wobei die Österreicher umgekehrt im Ausland weitaus umtriebiger seien. Ein gutes Drittel seiner Kunden interessiere sich für internationale Ausschreibungen - ein Trend, den auch der Ankö widerspiegelt.

Rund 55 Milliarden Euro wiegt das Volumen, das die öffentliche Hand jährlich an Aufträgen vergibt, es sind zwischen 17 und 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nahezu 46 Prozent der Firmen, die auf das Auftragnehmerkataster zugreifen, haben weniger als neun Mitarbeiter, 25 Prozent nicht mehr als 25 Beschäftigte. Dominiert wird der Markt dabei nicht von der Baubranche, sondern vom Handel. Un- ternehmensbezogene Dienstleistungen rangieren auf Platz drei.

Auch Derndorfer ortet unter den Gewinnern eine Vielzahl an kleinen und mittelständischen Betrieben. Er schätzt ihren Anteil an den Vergaben auf rund 80 Prozent. Von 70 Prozent geht Österreichs Bundesbeschaffungsgesellschaft aus. In der ganzen EU entwickle sich das Vergaberecht eindeutig zugunsten kleiner Bieter, resümiert Derndorfer. Zumal große Aufträge vermehrt in Fach- wie Teillose aufgeteilt würden und auch qualitative Kriterien für den Zuschlag an Bedeutung gewinnen.

Für Konrad Steindl hat dies alles wenig mit der Praxis zu tun. Es habe zwar Versuche gegeben, neben dem niedrigsten Preis andere Kriterien einzuführen. Letztlich werde sich aber am Billigstbieter-Prinzip nichts ändern. "Ich bin da wenig optimistisch." Und trotz sogenannter Fairnessabkommen in einzelnen Bundesländern vergebe die öffentliche Hand ihre Aufträge vor allem an große Generalunternehmer, sagt der Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer. Diese übten auf kleine Sublieferanten starken Druck aus und bedienten sich sehr wohl gerne billiger ausländischer Unternehmen.

Weit gehen Meinungen auseinander, was die Direktvergabe der kommunalen Aufträge anbelangt. Im Zuge der Krise 2009 eingeführt, wurde die Schwellenwertverordnung erst jüngst um ein weiteres Jahr bis Ende 2014 verlängert. Damit dürfen Bund, Länder und Gemeinden Aufträge bis zu 100.000 Euro direkt vergeben. Im Bau können bis zu eine Million Euro freihändig vergeben werden, sofern zumindest drei Bieter ein Anbot legen.

"Ein klassischer Fall von Regionalprotektionismus", sagt Derndorfer. Die Verlängerung sei nicht nachvollziehbar. Klar kämen damit oft kleine regionale Betriebe zum Zug, doch vielfach zulasten innovativer Mitbewerber aus anderen Bundesländern. "Die Folge ist häufig teurerer und qualitativ schlechterer Einkauf."

"Fairer Wettbewerb ist nur bei Transparenz möglich", sagt auch Jöchlinger. Von leichteren Direktvergaben profitierten die naheliegendsten Bieter, nicht die besten. Und Mauschelei erhöhe den Preis.

Vernichtende Kritik an der Verordnung übt der deutsche Rechnungshof, der dafür in Deutschland 16.000 Vergaben untersuchte. Demnach haben die Vergabeerleichterungen für kleinere Projekte die Dauer der Vergaben nur marginal verkürzt. Nicht verringert wurde der Verwaltungsaufwand. Die Einkaufskosten seien im Vergleich zu öffentlichen Ausschreibungen im Schnitt sogar um bis zu 13 Prozent gestiegen, in der Baubranche um mehr als 20 Prozent. Alles in allem wurden Transparenz und Wettbewerb deutlich reduziert.

Deutschland hat die Schwellenwertverordnung bereits rückgängig gemacht.

In Österreich gehen Vergaberechtsexperten davon aus, dass die öffentliche Hand, vor allem Bürgermeister, durch fehlende öffentliche Ausschreibungen insgesamt gut zehn Milliarden Euro an Steuergeldern verschenkt. Studien dazu wie in Deutschland fehlen - dass direkte Vergaben Aufträge um bis zu 25 Prozent verteuern, hält aber auch Derndorfer für plausibel. Steindl nennt diese Zahlen Unsinn. "Die Schwellenwertverordnung hat sich bestens bewährt, die Bürgermeister sind damit sehr zufrieden." Sie bringe allen Beteiligten "nur messbare Vorteile", konkret weniger Bürokratie, eine bessere ökologische Bilanz und Kostenersparnisse, allein schon was Anfahrtswege oder Mitarbeiternächtigungen betreffe. Er fordert, daraus in Österreich im Einklang mit der EU ein Dauerrecht zu machen.

Wenige Chancen für Junge

Einen Rückgang an öffentlichen Aufträgen weist das Auftragnehmerkataster Österreich nicht aus: Ihre Zahl nehme seit Jahren entgegen allen Klagen der Wirtschaft stetig zu. Probleme, an sie heranzukommen, haben Derndorfer zufolge jedoch weniger kleine als junge Betriebe. Voraussetzung dafür seien in der Regel nämlich entsprechende Referenzprojekte und lange Unternehmenshistorien. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 11.10.2013)