Spiel mit Referenzen: "I think I have seen this one before." Das Duo Albért Bernàrd (Galerie Hämmerle) lässt Besucher Bilder hängen.

Foto: Galerie Lisi Hämmerle

"What would I have been if I hadn't been an artist?", gibt Nestor Kovachev (Galerie Curtze) zu bedenken. Und was wäre die Viennafair, wenn sie nicht eine Gegenwartskunstmesse mit Fokus Ost- und Südosteuropa wäre? Die Frage der Identität stellt sich für "Österreichs größte Kunstmesse Europas" (so die Werbeplakate augenzwinkernd) aber gar nicht: "Wir bleiben an Osteuropa kleben und sagen: Der Osten ist verdammt cool!", so Vita Zaman, die gemeinsam mit Christina Steinbrecher-Pfandt zum zweiten Mal die Geschicke der Messe verantwortet. Den Osten finden auch russische Sammlerinnen cool: Eine Gruppe wünschte etwa zunächst das Angebot der russischen Galerien, elf von insgesamt 127 Ausstellern, zu begutachten.

Der neue Messebesitzer Dmitry Aksenov hatte angekündigt, mehr russische Sammler zur Viennafair bringen zu wollen, die langfristige Strategie der Leiterinnen sieht anders aus. Ihr Dreistufenplan zündet mit: Die Messe soll populär werden. Mit neuen Besuchern - Studenten, Familien, Senioren - will man die Besucherzahlen (im Vorjahr rund 17.000) aufbessern. Vielleicht sind auch Neo-Sammler dabei. Reichweite lockt Sponsoren; mit deren Geld gelingt Sammlerakquise in Übersee - Aspen, Boston, New York. Irgendwann sollen, so schilderte man es dem Standard, auch die Amerikaner, "eine sehr vorhersehbare Sammlergruppe, die sehr aggressiv kauft", über die Wiener Messe spazieren, um hier "Emerging Artists" statt "Blue Chip Trophys" zu kaufen. Diese Klientel besuchte die Viennafair zwar schon, kam jedoch nur einmal. Lokale Vernetzung soll diese "loyal" machen. Die Viennafair als Fixstern neben Art Basel und Fiac? Die Galeristen sind da realistischer, sehen den Anreiz - auch in puncto Anreiseaufwand der Amerikaner - nicht. Wird die Kampfansage der Viennafair-Macherinnen - "flamboyant, laut, anders" - reichen?

Neue Initiativen wie das Skulpturenprojekt, das bereits im Park beginnt, enttäuschen. Es franst in Innenraum-Randlage leider aus. Mit entsprechendem Willen hätte sich ein prominenterer Platz finden lassen. Ums Eck, in einer völlig toten Gasse hinter den Kojen, stolpert man allenfalls zufällig auf die Wand mit leistbarer Kunst (ab 220 bis 3000 Euro). Angeteasert als "Vienna start up" wurde das Projekt für Sammler mit kleinen Börsen kurzfristig realisiert und erweist sich im Abseits als halbherzige Initiative. Viel Schönes im kleinen Format, etwa von Stylianos Schicho oder Moussa Kone, das man aber auch direkt bei deren Galeristen (Feichtner, Charim) fände. Im günstigen Preissegment bieten viele Zeichnung an.

Popularität sei aber genauso Konzept, sagt Zaman: "Wir wollten etwas gegen die Gesetze des Kunstbetriebs machen." Kunst mache glücklich, so die These, ob nun an der eigenen Wand, im Museum oder in der Messekoje betrachtet: Kunstkauf ist nachrangig. Die Viennafair als Event kollektiven Beisammenseins.

Dazu passt etwa die Interaktion, zu der das Duo Albért Bernàrd (Lisi Hämmerle) einlädt: Die Besucher arrangieren die Kunst, die selbst - etwa im Übermalen abstrakter Referenzbilder - einen sehr spielerischen Zugang hat. Spaß bringen auch die Aktionen mit Peter Fritzenwallner (Galerie Altnöder), der das Publikum in seine humoristisch-narrativen, aber nicht minder philosophischen Performances (etwa über nicht näher benannte und damit größter Verdammnis anheimgegebene Schatten aus Platons Höhlengleichnis) involviert.

Auch Indizien für die Verweigerung des Kommerziellen lassen sich finden: Rostige Eisenlettern formen das Wort "Less" (Péter Szualay, Acb Galerie, Budapest). Paul Dunca richtet aus: "Dear Money, Fuck You Everyday!" (Salonul de Proiecte, Bukarest). Vlatka Horvat hat verpackte Bilder auf ein Bord gestellt (Zak Branicka); in ihrer Leuchtschrift "Good Life" ist das "f" erloschen.

Sich etwas vorlügen, sich die Welt schöner und größer und reicher träumen, das gelingt vielleicht mit den Rauchwaren, vertrieben im Bauchladen eines Abgesandten der Kunsthalle Semriach. Diese Institution im Format eines Umzugskartons ist ein altes Projekt von Spaßrabauke Christian Eisenberger, auf den Galerist Konzett auch heuer wieder setzt. Die alten österreichischen Wilden - Rainer, Mühl, Brus - zeigt er hingegen auf dem Messesatelliten Parallel Vienna im morbiden Chic des ehemaligen Telegrafenamts, wo Kaufkraftkunden fehlen. Man müsse nicht verkaufen, lacht man auf Nachfrage. In aller Verweigerung entsteht ein Paradox. Steuert der Kunstmarkt in gegenwärtigen antikapitalistischen Trends auf eine Schizophrenie zu?

Glück und Umsatz

Denn trotz aller Ansätze von Popularität und Glück wollen und müssen die Galeristen Umsätze machen. Laut einer Studie erwirtschafteten Galerien (und Kunsthändler) 2012 durchschnittlich 36 Prozent ihres Jahresumsatzes auf Kunstmessen. 2011 lag dieser Wert noch bei 31 Prozent.

Ignoriert man jegliche thesenstützende selektive Wahrnehmung, findet man aber auch Kunst jenseits von Zeitgeist und Moden. Wie etwa Op-Art und Konkretes bei Galerist Lindner. Nikolaus Ruzicska hat etwa François Morellets wunderschöne Wandarbeit Entre deux mers No 1 mit dem Dialog aus silbrig-metallenen Wasserspiegeln (97.500 Euro) installiert.

Auf Vielfalt setzt die Galerie Krinzinger und hängt jeden Tag um: Zur Preview gab es etwa Marina Abramovic (The Family, Fotografie, 80.000 Euro) oder ein der Oberfläche jeder Messe mit Tiefgang begegnendes Video von Hans Op de Beeck (Dance, 37.500 Euro).

Und dazu natürlich auch kalkulierbare Größen wie bei Galerist Michael Schultz (Berlin): Dort hängt das teuerste Bild der Messe. 8,5 Millionen Euro für ein abstraktes Großformat von 1982, das allein der klingende Name Gerhard Richter und der winzige Malewitsch (Frau mit Eimer, 1911- 13) um 1,6 Millionen daneben zu schmücken vermögen. (Anne Katrin Feßler, Album, DER STANDARD, 12./13.10.2013)