Die Juristin Aygül Berivan Aslan zieht als erste Kurdischstämmige in den österreichischen Nationalrat ein. Die grüne Quereinsteigerin will allerdings nicht über ihre Herkunft definiert werden, sondern über ihre Ziele und Werte als Politikerin. daStandard.at sprach mit ihr über das Selbstverständnis der migrantischen Politiker und die Fehler der Großparteien im Wahlkampf.
daStandard.at: Nach dieser Nationalratswahl gibt es vier Abgeordnete mit Migrationshintergrund - ein Schritt in die richtige Richtung?
Aslan: Im Grunde geht es nicht um Menschen mit Migrationshintergrund, sondern darum, dass Vielfalt im Parlament der Demokratie hilft. Natürlich nimmt man immer etwas aus dem Kulturkreis mit, aus dem man stammt. Allerdings ist es ein fataler Fehler, wenn man Migranten in der Politik auf ihre Herkunft reduziert. Nach knapp 60 Jahren reden wir immer noch von "Migranten" und glauben, dass diese vor allem Migrationspolitisches machen sollten - das ist die eigentliche Tragödie.
daStandard.at: Bei dieser Wahl haben wir migrantische Kandidaten der beiden Großparteien gesehen, die schlecht gereiht ihre jeweilige Community mobilisieren sollten - reine Stimmenkeilerei?
Aslan: An sich ist es legitim, dass man Menschen aus den Migranten-Communitys aufstellt. Aber es ist eben wichtig, dass diese beziehungsweise die Menschen auch wissen, ob jemand auf einem wählbaren Platz ist oder eben nicht. Zusätzlich hat mich gestört, dass man immer wieder die Politik aus der Türkei nach Österreich trägt. Denn wir haben in Österreich ganz andere Probleme als in der Türkei. Wir müssen den Menschen das Gefühl geben und sie bestärken, sich als Österreicher zu fühlen.
daStandard.at: Empfinden Sie sich selbst als neue Art von Politikerin, die sich eben nicht mehr über Herkunft und Ethnie definieren lässt?
Aslan: Ja, genau. Natürlich sage ich, dass ich kurdischer Abstammung bin, wenn ich gefragt werde. Aber die Politik, für die ich stehe, kommt allen Menschen zugute, unabhängig von ihrer Herkunft. Ich will einen neuen Trend initiieren, damit man nicht entsprechend dem "fremden" Namen automatisch zugeordnet wird. Man soll sich als Person frei entfalten.
daStandard.at: Die Grünen haben die erste Nationalratsabgeordnete mit Migrationshintergrund aufgestellt, in Tirol den ersten Landtagsabgeordneten mit Migrationshintergrund - sind die Grünen ihrer Zeit voraus, oder schlafen die beiden Großparteien noch?
Aslan: Die Grünen versprechen den Migranten nicht nur, dass sie in den Gremien und Strukturen der Partei vertreten sein werden, sondern sie halten es auch ein. Wer sich bemüht, bekommt seine Chance. Die anderen Parteien können sich da von uns etwas abschauen.
daStandard.at: Haben Sie in Ihrem Wahlkampf mehrsprachig geworben?
Aslan: Wir hatten einen mehrsprachigen Parteifolder, der in Zusammenarbeit mit der Bundespartei ausgearbeitet wurde, und den haben wir während des Wahlkampfs verteilt.
daStandard.at: Im Wahlkampf gab es Aufregung über türkischsprachige Wahlplakate. Strache hatte dieses Thema in einer Diskussionssendung aufgebracht. Wie stehen Sie dazu?
Aslan: Ich frage mich - hierbei geht es ja in erster Linie um türkeistämmige Kandidatinnen -, wie man reagieren würde, wenn es in der Türkei kurdisch- oder armenischsprachige Wahlplakate gegeben hätte. Für mich ist es jedenfalls ein absolutes No-go, migrantische Kandidaten aufzustellen, diesen zu sagen, sie sollen ihre Communitys mobilisieren - und dann, sobald es Kritik an zweisprachigen Plakaten gibt, sofort alle Plakate einsammeln zu lassen. Das zeigt auch die Art und Weise, wie die beiden Großparteien das Thema Migration nach wie vor sehen.
daStandard.at: Manche türkeistämmige Kandidaten der Großparteien hatten große Interessenverbände hinter sich.
Aslan: Die AKP-affinen Kreise in Österreich wie auch die Milli-Görüs-Bewegung haben sich im Grunde offen deklariert. Die einen sind zur ÖVP gegangen, die anderen haben sich der SPÖ empfohlen. Wir dürfen die türkische Politik nicht nach Österreich holen. Ich bin zwar auch von Migrantenvereinen unterstützt worden, allerdings hatte das mit meiner Arbeit als Rechts- und Sozialberaterin zu tun, und ich habe mich auch nicht von der Unterstützung abhängig gemacht.
daStandard.at: In einer Agenturmeldung wurde behauptet, Sie seien vom Verband der Kurdischen Vereine in Österreich, FEYKOM, unterstützt worden. Via Twitter haben Sie sich davon distanziert. Wie schwierig ist es, sich nicht vereinnahmen zu lassen?
Aslan: Wenn ich mich als Kurdin deklariere, wird es immer Vereine und Verbände geben, die mich quasi unterstützen wollen. FEYKOM hat mich auch nie als ihre Kandidatin bezeichnet, das wurde nur von einer Agentur behauptet. Fakt ist, dass FEYKOM mit verschiedenen österreichischen Parteien zusammenarbeitet und ich mir nicht vorstellen kann, dass sie mich und die Grünen offiziell unterstützten. Ich wollte daher diese Behauptung gleich zurückweisen und klarstellen. (Rusen Timur Aksak, daStandard.at, 14.10.2013)