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Vater und Sohn in Kriegszeiten: Kurt Streit (li.) als Idomeneo und Heidi Brunner als Idamante, dahinter Regina Schörg als liebende Elettra, die Idamante nicht und nicht erhören will.

Foto: apa/d. wimmer
Zweite Opernpremiere beim diesjährigen Klangbogen-Festival im Theater an der Wien: Regisseur Nicolas Brieger macht aus Mozarts "Idomeneo" ein postmodern bebildertes Stück über den Krieg. Überzeugend allerdings vor allem die musikalische Seite des Abends.


Wien - Ein bisschen CNN auf der Bühne des Theaters an der Wien: In einer Grube die Gefangenen, verschleierte Frauen mit zugebundenen Augen und Männer mit Sack überm Kopf. Über ihnen wachsame Soldaten mit Maschinengewehren - durch ihre braun-grünen Uniformen jenen Kriegern nicht unähnlich, die zurzeit im Irak ausharren müssen. Vorsicht, Jetztzeit! Doch so eindeutig bleibt es nicht.

Regisseur Nicolas Brieger liebt es zwar etwas plakativ, aber auch ein bisschen postmodern, also mixt er in Mozarts Idomeneo die Stildinge durchaus gründlich.

Da ist Idomeneo (an den Strand in einem Netz wie ein gefangenes Fischlein gespült) die meiste Zeit in putziger Marineuniform unterwegs, als wär' er Kapitän eines Schiffs der Träume. Da ist sein Ratgeber Arbace, der seine Arien hinter einem Rednerpult in Militäruniform zelebriert (Bühnenbild: Hans Dieter Schaal). Und natürlich kommt auch Nettuno vorbei, mit dem Idomeneo zum Zwecke des Überlebens ein eher schlechtes Opfergeschäft abgeschlossen hat.

Hier ist seine Gottheit eine Art Unterwassersandler mit Dreispitzharpune - Barocktheater lässt grüßen. Dazwischen: Einige Ku-Klux-Klan-Masken und auch Figuren, deren Perücken auf die gute alte Rokokozeit verweisen. Irgendwie passt das dann - Postmoderne hin, Ideen her - doch nicht wirklich zusammen, wirkt die Zitatenfreude aufgesetzt und nicht immer freiwillig komisch.

Immerhin dauerpräsent als Konstante, als eine Art roter Faden dieser Klangbogen-Produktion, der Krieg: Wenn sich Idamante - hier ein schüchterner Teenager - und Elettra auf die Fluchtreise begeben, schlägt offenbar irgendwo ein Torpedo ein, bumsti! Blutverschmiert sind plötzlich alle Passagiere. Und auch der Priester, der vom gewissensgeplagten Idomeneo verlangt, das versprochene Opfer zu bringen, ist ein ordensbekränzter Militär. Und natürlich hört man - ratatatata! - zu Mozarts Musik auch wilden Kriegslärm näher rücken.

Die Staatsräson

Die Figuren vergisst Brieger natürlich nicht. Der Preis der Macht, die vernünftige Tat im Sinne der Staatsräson. Und der allseits präsente Opferwille, der die lenkenden Göttermächte schließlich erweicht - das bietet viel Platz für die Darstellung individueller Konflikte. So dürfen die Figuren ihr Inneres nach außen kehren. Doch auch hier wird mitunter herzhaft dick aufgetragen, weshalb die Dramen doch etwas gar zu stark mit dem routinierten Opernpathos kollidieren.

Dennoch trägt man die szenischen Lasten gerne - es ist der musikalische Teil des Abend, der für fast alles entschädigt. Kurt Streit meistert die Monsterpartie des Idomeneo zweifellos beeindruckend kraftvoll. Präsenz und Leichtigkeit sind allerdings am besten bei Maria Bengtsson (Ilia) verwoben, wohingegen Regina Schörg als Elettra mitunter zu sehr das Dramatische der Figur betont, was im Finale allerdings sinnvoll wirkt.

Solide Heidi Brunner als Idamante, verlässlich Mathias Zachariassen als Arbace. Wie auch Robert Wörle als Gran Sacerdote, Kwangchui Youn als Stimme und der durchaus elegant eingesetzte Chor.

Bertrand de Billy und das gut disponierte Radio Symphonie Orchester Wien sorgen für ein glänzendes orchestrales Fundament. Da war alles enthalten: Sängerfreundlichkeit, kultivierte Dramatik wie auch atmosphärisch starke Poesie. Und wirkte die finale Ballettmusik vom Szenischen her doch etwas langatmig, so hörte man sie in der RSO-Version zweifellos gerne - als einen melancholisch schwebenden Ausklang dieser nicht über alle unnötigen Längen erhabenen Oper. (DER STANDARD, Printausgabe vom 4.8.2003)