Klar haben Möbel eine Seele. Wer's nicht glaubt, sollte sich schnurstracks in die Galerie Himbeer & Soda begeben. Auf acht Podesten stehen dort ebenso viele Sitzmöbel, wie sie betreffend ihres Stils unterschiedlicher kaum sein können. Kein Wunder, stammt das älteste aus dem Jahre 1690, das jüngste aus den 1940er-Jahren. Eine Menge Wasser also, das da zwischen den Entstehungszeiten der Stücke die Flüsse hinunterfloss.

Die Möbel haben allerdings viel mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick glauben würde. Alle acht wurden vom britischen Künstlerduo Bridget Dwyer und David Grocott, das als Clarke & Reilly auftritt, ganz schön in die Mangel genommen. Zum Beispiel haben die beiden die meisten davon mit historischen Stoffen überzogen. Zum Einsatz kamen unter anderem Indigostoffe aus den 1920er-Jahren oder japanische Seidenstoffe. Einem amerikanischen Sessel aus dem Jahre 1880 wurde überhaupt ein 300 Jahre altes Kleid verpasst - samt Knöpfen.

Ein Sommer in der kalifornischen Wüste

Doch so richtig dran kamen die Stücke, als sie die Künstler, die auch als Interieur-Designer in London und Los Angeles aktiv sind, einen Winter lang auf das Dach eines Gebäudes in London stellten. Aber auch damit nicht genug, hernach mussten sie einen Sommer in der kalifornischen Wüste ausharren. Schabernack? Mitnichten.

Den Künstlern ging es darum, den Charakter der Möbel zu erforschen und herauszustreichen, das handwerkliche Können, das ihnen zugrunde liegt, ebenso freizulegen wie die verwendeten Materialien. Clarke & Reilly haben die Möbel seziert, verändert, bearbeitet, zum Teil skelettiert und legen deren Anatomie frei. Das Ergebnis ist erstaunlich. Die Seelen der Möbel, die einem hier offenbar werden, sind zwar dunkel-düster gefärbt, doch das macht die Sache nicht minder interessant - ganz im Gegenteil. Die beiden Künstler verwandeln die Galerie im 7. Bezirk in eine Art Geisterbahn des Möbeldesigns, aber nicht à la Wurstelprater.

Keinesfalls, diese Möbel haben es nicht nur drauf, ihr Wesen und ihre Geschichte zur Schau zu stellen, sie sagen auch "Ätsch, ich werde noch irgendwo stehen, wenn du schon längst zu Staub geworden bist". Es ist auch dieses Überdauern, das Clarke & Reilly auf romantisch-gruselige Weise aus den Stücken herauskitzeln.

Zeitmesser der besonderen Art

Die Möbel repräsentieren eine ganz eigene Geschichte, sie werden zu Zeitmessern der besonderen Art. Es sind keine Uhrzeiger, die hier Vergänglichkeit vermitteln, sondern Design-Stile, verschiedenste Materialien, die Intervention der Künstler und jene von Wind, Regen und Sonne, also auch der Jahreszeiten. Obwohl das Künstlerduo seine Stücke weiterhin in Verwendung wissen will und diese keineswegs als "Bitte nicht berühren"-Kunstwerke versteht, werden die Möbel in Reih und Glied auf Podesten präsentiert. Gut so. Ein Glassturz drüber wäre auch nicht schlecht, denn keinem dieser Möbel möchte man in dunkler Nacht im Wohnzimmer begegnen.

Man muss die Stühle aber nicht todernst wie den Sensenmann nehmen, denn auch Clarke & Reilly wissen, dass es sich mit einem Augenzwinkern besser weiterleben lässt. Auch deshalb beauftragten die beiden die Parfümeurin Azzi Glasser mit einem zur Ausstellung gehörenden Duft, der bei Himbeer & Soda um 60 Euro pro Fläschchen zu erwerben ist.

Zedern, süßer Hustensaft und staubige Altwarentandler

Glasser, die unter anderem für Agent Provocateur Düfte komponiert und für Hollywoodstars wie Johnny Depp individuelle Duftnoten entwickelt, kreierte das sinnliche Souvenir für Ausstellungsbesucher, die Halloween kaum erwarten können. Ihr "8 Chairs"-Duft ist nicht schlecht, wenn man Zedern, süßen Hustensaft und den Geruch staubiger Altwarentandler mag.

Kurz, die Ausstellung ist eine willkommene Abwechslung in der oftmals so hochglänzenden Designszene und vor allem auch für jene zu empfehlen, die bisher nicht an Gespenster glaubten. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 11.10.2013)

Info

"8 Chairs by Clarke & Reilly"
Galerie Himbeer & Soda, Westbahnstraße 16, 1070 Wien
Im Rahmen der Vienna Design Week 2013. Bis 26. Oktober

Foto: Clarke & Reilly
Foto: James Ostrer
Foto: James Ostrer
Foto: Laurence Passera
Foto: Laurence Passera
Foto: Laurence Passera
Foto: Laurence Passera
Foto: Laurence Passera
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