Wieder einmal zeigt eine Studie, dass Österreicher schlecht lesen können, dass Bildung weitergegeben wird und dass es Migranten hierzulande besonders schwer haben. Die internationale Bildungsstudie Piaac, bei der Schlüsselkompetenzen der 16- bis 65-Jährigen getestet wurden, bestätigt nicht nur, was wir seit Jahren wissen und worüber ebenso lange diskutiert wird. Vielmehr zeigt sie auch, dass bereits die Bildungspolitik der 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahre verfehlt war und dass auch die Weiterbildung am Arbeitsplatz nur schlecht funktioniert.

Wie viele Studien müssen in Österreich noch präsentiert werden, bis tatsächlich eine große Bildungsreform passiert? In der großen Koalition wurde in der Vergangenheit hauptsächlich an kleinen Schrauben gedreht. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Es gibt eine Neue Mittelschule, aber keine Gesamtschule. Die Lehrerausbildung wurde zwar reformiert. Eine gemeinsame Ausbildung aller Lehrer an einer Institution kann, muss aber nicht passieren. Noch immer werden Pflichtschullehrer anders ausgebildet als Gymnasiallehrer. Zur Verschlankung der Schulverwaltung wurden gerade einmal die Bezirksschulräte abgeschafft.

Einer der größten Unterschiede zwischen den skandinavischen Ländern, die in dieser Studie wieder einmal die Besten sind, und Österreich ist nicht nur die vielzitierte und umstrittene Gesamtschule. Die Lehrerausbildung und vor allem die Lehrerauswahl ist eine andere. Österreich braucht bessere Lehrer, die mit Freude an die Arbeit gehen und Zeit dafür haben, die Schüler individuell zu fördern. Bei der Reform der Lehrerausbildung wurde bereits ein Auswahlverfahren für künftige Lehrer beschlossen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses so angelegt wird, dass tatsächlich nur die besten vor den Schülern in der Klasse landen.

Die Piaac-Studie hat auch gezeigt, dass Österreichs Frauen in allen Altersgruppen sehr viel schlechter rechnen können als Männer. Der Unterschied zu den anderen OECD-Ländern ist signifikant. Das ist ein Auftrag an die Politik, die Förderung von Frauen stärker ins Zentrum zu rücken. Auch hier sind Reformen in der Schule gefragt. Lehrer müssen so ausgebildet werden, dass auch die Mädchen für Mathematik begeistert werden. Es scheint immer noch die Annahme zu geben, dass das nicht notwendig sei.

Es wird Zeit, dass die Parteiinteressen aus der Bildungspolitik verschwinden. Mit der großen Koalition herrscht in der Bildungspolitik ein Gleichgewicht des Schreckens. Reformen werden am Tauschbasar beschlossen. Das ist der Grund, warum es keine geregelte Universitäten-Finanzierung und keine Gesamtschule gibt, obwohl beides international üblich ist. Der nächste Bildungsminister darf darum weder rot noch schwarz sein. Nur eine Person, die vom Erbe des ewigen Bildungsstreites unbelastet ist und nicht auf die Interessen der Parteifunktionäre schielen muss, kann die nötigen Reformen umsetzen.

Für ein Ende des Stillstands sollten sich SPÖ und ÖVP in der nächsten Koalition eine Partei dazuholen. Das Bildungsministerium sollte von den Grünen oder den Neos besetzt werden.

Sicher ist: Mit SPÖ und ÖVP wird sich auch in der nächsten Regierung nur wenig in der Bildungspolitik ändern. Wenn Österreich bei der nächsten Piaac-Studie in zehn Jahren besser abschneiden will, sollten beide die Verantwortung für das Ministerium für die nächsten fünf Jahre abgeben. (Lisa Aigner, DER STANDARD, 9.10.2013)