Die eine Flüchtlingsfamilie auf unserer kleinen griechischen Urlaubsinsel kam aus Bangladesch, die andere aus Senegal. Es waren zwei, bzw. drei kleine Kinder dabei. Die hatten sie von Ostasien bzw. Westafrika - mehrere Tausend Kilometer - bis in die Türkei mitgenommen. Dort wurden sie von Schleppern in Kähne gesetzt und in Richtung der etwa 40 Kilometer entfernten Insel geschickt. Sie wurden von der griechischen Küstenwache aufgebracht und auf der Insel in den Polizeikotter gesteckt. Da streckten sie ihre Hände durch das Fenstergitter und baten die auf dem Hauptplatz vorbeigehenden Feriengäste (erfolgreich) um Wasser und Essen.

Die griechische Polizei berichtete, es käme vor, dass die Schlepper beim Herannahen der griechischen Patrouillenboote die großen Schlauchboote aufstechen und sich mit ihren schnellen Motorbooten davonmachen. Dann wären die Flüchtlinge Schiffbrüchige, die aufgenommen werden müssten. Wer Pech hat, ertrinkt.

Das war vor drei Jahren. Inzwischen kommen die aufgefischten Flüchtlinge nicht mehr auf die kleine Insel, sondern auf eine noch kleinere in der Nähe, um Aufsehen zu vermeiden. Wenn so etwa hundert beisammen sind, werden sie auf die Fähre nach Athen verfrachtet. Dort kommen sie entweder in elende Lager, oder sie werden überhaupt mit der Auflage freigelassen, Griechenland wieder zu verlassen. Sehr viele bleiben natürlich in Athen, bilden eine Elendsschicht und werden von den griechischen Neonazis in regelrechten Hetzjagden verfolgt (die Führung der Neonazi-Partei Chrysi Avgi wurde deswegen jetzt verhaftet). Im ersten Halbjahr 2013 wurden in der Ostägäis rund 20.000 solcher Bootsflüchtlinge aus der Türkei aufgegriffen. Tragödien wie die von Lampedusa mit hunderten Toten hat es noch nicht gegeben, aber selbstverständlich sterben immer wieder Menschen.

Das Mittelmeer ist die große Barriere für die Armutsflüchtlinge aus so entlegenen Ländern wie Bangladesch und Senegal. Und nicht nur das Mittelmeer: In Erinnerung sind noch die Bilder von den Kanaren im Atlantik, wo halbtote Afrikaner mitten unter den Badegästen landeten.

Was tun? Eine Mindestlösung kann nur darin bestehen, dass die EU-Staaten gemeinsam viel mehr vor den neuralgischen Punkten Marine und Küstenwache patrouillieren lassen, damit nicht hunderte in Sichtweite der Küste ertrinken.

Die Tore der "Festung Europa" öffnen? Die Aufnahme von bitterarmen, unterqualifizierten Flüchtlingen stößt sehr rasch an die Grenzen der europäischen Sozialstaaten. Spanien hat eine Zeitlang die Grenzen aufgemacht, um billige Arbeitskräfte einzusetzen. Mit dem Platzen der Immobilienblase wurde ein Großteil wieder heimgeschickt oder ging in die Illegalität. Selbst wenn andere EU-Staaten mehr aufnehmen - der Zustrom ist nicht bewältigbar. Und "das Problem vor Ort lösen" - was soll die EU in gescheiterten Staaten wie Somalia "vor Ort" tun? Es gibt im Augenblick keine halbwegs tragbare Lösung, das ist die bittere Wahrheit. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 9.10.2013)