Gut ein Jahr ist es her, dass der Oberste Gerichtshof den teilweisen Freispruch von ehemaligen Vorstandsmitgliedern der Hypo Alpe Adria Bank aufgehoben hat. Hat der OGH seine Judikatur damals verschärft oder nur konsequent auf einen bisher nie da gewesenen Fall angewendet?

Zur Erinnerung: Im Anlassfall ging es um eine Kreditgewährung der Bank an die in höchsten wirtschaftlichen Turbulenzen befindliche Styrian Airways AG, die alsbald danach in Konkurs verfiel. Zur finanziellen Situation des Kreditnehmers hatte der im Strafprozess beigezogene Sachverständige begutachtet, dass aus der Sicht zum Zeitpunkt der Kreditgewährung die Ausfallswahrscheinlichkeit des unbesichert vergebenen Kredits außerordentlich hoch gewesen sei. Der OGH erklärte, dass der Bankvorstand aufgrund nicht konkretisierter Finanzierungsgeschäfte in der Vergangenheit und ohne entsprechende Haftungszusage des Landes Kärnten nicht darauf vertrauen hätte können, dass nachträglich eine Kreditbesicherung durch das Land Kärnten erfolgen würde.

Von diesem Ansatz ausgehend sah das Höchstgericht einen Befugnismissbrauch gem. § 153 StGB ("Untreue") bereits darin, wenn der Vorstand von seiner Vertretungsbefugnis vorsätzlich einen "Fehlgebrauch" macht. Dies sei der Fall, wenn er über das Vermögen des Bankinstituts durch Kreditvergabe verfügt, wenn er trotz erkannter mangelnder Bonität und fehlender Sicherheiten zum Zeitpunkt der Entstehung der Kreditschuld wirtschaftlich unvertretbar Kredit gewährt.

Relevant für Händler

Müssen nun auch Geschäftsführer, Vorstände und leitende Angestellte aus anderen Branchen zittern, wenn sie Warenkredit gewähren, ohne die Kreditierung durch entsprechende Sicherheiten oder Akontozahlungen abzusichern? Relevant ist dies etwa für Händler und Produzenten, die Waren "auf Ziel" liefern, ohne die Bonität ihres Abnehmers zu prüfen.

Nun könnte man dagegen einwenden, dass im Anlassfall es immerhin klar war, dass sich der Kreditnehmer (Styrian Airways) in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand und daher eine Bonitätsprüfung besonders geboten war. Indes ist es nur mehr ein kleiner Schritt, zu sagen, dass es zu allgemeiner Sorgfaltspflicht von Geschäftsführern und Vorständen oder der im Unternehmen tätigen Vertriebsmitarbeiter gehört, die Bonität des Abnehmers zu prüfen; dies zumindest ab bestimmten Erheblichkeitsschwellen. Es könnte daher naheliegen, dass in Zukunft nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtliche Vorwürfe erhoben werden, wenn eine Bonitätsprüfung des Abnehmers unterbleibt oder riskante Geschäfte getätigt werden.

Bei Bauunternehmen und im Baunebengewerbe stellt sich auch folgende weitere Frage: Müssen deren Organe strafrechtliche Sanktionen fürchten, wenn sie nicht von dem ihnen nach § 1170b ABGB zustehenden Recht auf Sicherstellung des Entgelts Gebrauch machen? Hier könnte zum Vorwurf gemacht werden, dass es der Manager unterlässt, vom Auftraggeber eine Bankgarantie, die - je nach voraussichtlicher Erfüllungsdauer - 20 oder 40 Prozent des vereinbarten Entgelts umfasst, einzufordern. Die Beurteilung dessen, ob die Unterlassung des Begehrens auf Sicherstellung - und damit die unbesicherte Vorleistung an den Werksteller - (i) schuldlos - weil im Rahmen vertretbarer Geschäftspolitik, zu der auch das Eingehen von Risiken gehört -, (ii) fahrlässig oder (iii) vorsätzlich erfolgt ist, setzt den Manager oder Mitarbeiter einem hohen persönlichen Risiko aus: Betrachtet der Staatsanwalt die Unterlassung der Bonitätsprüfung und das Nichtverlangen von Anzahlungen, Sicherheiten oder Sicherstellung als unvertretbare Kreditgewährung im Einzelfall, kann eine Anklage drohen; übersteigt der Schaden 50.000 Euro, so drohen ein bis zehn Jahre Haft.

Überlastete Justiz

Trost für die Manager: Bei der bekannten Überbelastung der Wirtschaftsstrafabteilungen der Staatsanwaltschaften wird dort die Lust, Anklage zu erheben, nicht sehr ausgeprägt sein, weil jedes Verfahren für ihn mit Arbeit verbunden ist und er genauso gut die Einstellung des Verfahrens damit begründen kann, dass nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit der Befugnismissbrauch erweislich sein wird.

Vor allem in politisch brisanten Fällen oder wenn der gescheiterte Manager im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, muss er künftig aber auch dann, wenn es sich nicht um Bankkredite, sondern um "Warenkredit" oder ungesicherte Werklohnforderungen an insolvente Kunden handelt, mit einer verschärften Gangart der Strafbehörde rechnen. (Johannes Reich-Rohrwig, DER STANDARD, 9.10.2013)