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"Ich stehe zum Wahlkampf - und spiele nicht die Geschmackspolizei": Eva Glawischnig hält die Kritik an fehlenden Botschaften in der grünen Kampagne für "Quatsch" und erinnert an erfolglosere Tage, als die Grünen immer nur ihre Schrebergärten gepflegt hätten.

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STANDARD: Vor knapp einem Jahr haben Sie uns erklärt, warum die Grünen 15 Prozent verdient hätten. Können Sie jetzt erklären, warum das die Wähler anders sehen?

Glawischnig: Man muss sich immer hohe Ziele stecken, um Motivation zu schöpfen. Das Ergebnis war auch in Reichweite, nur hat uns am Ende ein Momentum gefehlt. Viele Wähler verfolgten das strategische Ziel, die rot-schwarze Mehrheit abzuwählen - und diese Chance war bei einem Einzug der Neos größer. Wir hätten wohl unseren Regierungsanspruch noch einmal klarer formulieren müssen. Aber zu 100 Prozent weiß ich es nicht - sonst hätte ich es ja anders gemacht.

STANDARD: Wenn es darauf ankomme, seien die Grünen nicht neos sondern altos, sagt der grüne Wirtschaftsvertreter Volker Plass und vermisst neue, emotionale Ideen.

Glawischnig: So ein Quatsch! Männer sind in der Analyse oft irrsinnig schnell und wissen schon am Tag nach der Wahl, was falsch gelaufen ist - obwohl sie selber im Parteivorstand sitzen. Ich teile Plass' Kritik kein bisschen, im Gegenteil: Wir haben vieles anders gemacht als früher, und das Ergebnis ist letztlich in Ordnung. Hätte mir vor fünf Jahren, als Medien einen Wählerschwund von einem Drittel voraussagten, jemand die 12,4 Prozent vom Wahlsonntag versprochen, hätte ich diese mit Handkuss genommen.

STANDARD: Vielleicht hätten Sie gegenüber Neos angriffiger sein müssen. Haben Sie die neue Konkurrenz unterschätzt?

Glawischnig: Es wäre nicht mein Stil, eine neue politische Gruppierung anzugreifen. Wir haben unsere Projekte in den Vordergrund gestellt. Die Korruptionsbekämpfung war für viele ein wichtiges Wahlmotiv ...

STANDARD: ... betrifft die konkrete Lebenssituation der Menschen aber wenig. Sozialpolitik, Integration, Verteilung: Warum haben die Grünen zu all diesen Themen kaum ein Wort verloren? Wollten Sie partout nicht anecken?

Glawischnig: Nein, sonst hätten wir einige Ecken und Kanten im Wahlkampf nicht gezeigt. Erinnern Sie sich an unsere Auseinandersetzungen mit der ÖVP und ihrer moralisch verwahrlosten Asylpolitik. In jedem TV-Duell habe ich die Bildungsproblematik angesprochen - eine der Schlüsselfragen. Eine Partei kann aber nicht immer alle Themen gleichzeitig spielen. Gerade die Grünen waren früher Weltmeister darin, Schrebergärtchen zu pflegen.

STANDARD: Die letzten Plakate waren doch der gleiche inhaltsleere Kitsch, den Grüne früher bei anderen Parteien kritisiert haben. Wo war da noch eine Botschaft?

Glawischnig: Sorry, aber dass eine Partei in der Schlussphase auf die Spitzenkandidatin fokussiert, ist normal. Die Kampagne hat ihren Zweck erfüllt - und sie war transparent und seriös. Wir sind mit etwa zwei Dritteln der zulässigen sieben Millionen ausgekommen, die Vorjahresausgaben eingerechnet. Ich stehe zu dem Wahlkampf - und spiele, was die konzipierte Kampagne betrifft, nicht Geschmackspolizei.

STANDARD: Wenn Inhalte so wichtig sind: Warum wollen Sie in keine Koalition mit SPÖ und ÖVP? Da könnten Sie ja was umsetzen.

Glawischnig: Das bezweifle ich. In einer Koalition mit einer rot-schwarzen Mehrheit konfrontiert zu sein ist kein Lebensglück.

STANDARD: Ein grüner Minister könnte schon etwas weiterbringen. Lässt es sich rechtfertigen, dass Sie eine Regierungsbeteiligung verweigern, wenn Sie gleichzeitig Rot-Schwarz beklagen?

Glawischnig: Ja, weil die Grünen in einer solchen Koalition gefesselt und geknebelt wären - und jeder grüne Minister von Rot-Schwarz jederzeit ausgetauscht werden könnte, wenn er hartnäckig bliebe. In der Opposition haben wir aber einen Machthebel, weil SPÖ und ÖVP die grünen Stimmen für eine Verfassungsmehrheit brauchen.

STANDARD: Ein bisserl mitregieren, also?

Glawischnig: Ich halte es da mit Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg: Eine gute Opposition regiert immer auch mit.

STANDARD: Sie haben sich gerade mit Vizekanzler Michael Spindelegger getroffen: Sehen Sie denn Fragen, über die Sie sich mit der ÖVP einigen könnten?

Glawischnig: Ja, vielleicht sogar bei der Bildung. Ich habe zwar den Eindruck, dass sich die ÖVP als Wahlsieger sieht, obwohl sie gehörig verloren hat, doch bei diesem Thema ist etwas drinnen. Jetzt eine 34. Verhandlungsrunde über das Lehrerdienstrecht zu veranstalten wäre der falsche Weg. Es braucht eine Gesamtreform. Das gehört sofort in Angriff genommen. Ich brauche keinen Österreich-Konvent, der drei Jahre lang arbeitet.

STANDARD: Die Fronten wirken doch verhärtet wie eh und je - siehe Debatte um die Gesamtschule.

Glawischnig: Schauen Sie nach Vorarlberg, Tirol, Salzburg oder Oberösterreich: Da ist die ÖVP längst umgeschwenkt. Ich halte es für nicht ausgeschlossen, dass wir Wege finden, die ÖVP aus dem Schützengraben herauszubringen - damit eine gemeinsame Schule doch noch möglich wird.

STANDARD: Bundesrat Efgani Dönmez schlägt eine besonders enge Zusammenarbeit mit Neos und dem Team Stronach vor. Lässt sich da eine Art Plattform finden?

Glawischnig: Bei Stronach fehlt mir dazu jegliche Fantasie. Ich weiß auch gar nicht, ob es die Partei noch geben wird, wenn sich der Nationalrat konstituiert. Das wäre eine spannende Wette!

STANDARD: Geben Sie zum Abschluss wieder eine Prognose ab? Diesmal für die Europawahl, bitte.

Glawischnig: Was hatten wir das letzte Mal? Knapp zehn Prozent. Also wenn wir das Nationalratswahlergebnis, die 12,4 Prozent, überspringen, wäre es sehr schön. (Gerald John/Peter Mayr, DER STANDARD, 8.10.2013)