Weil alles bleiben soll, wie es war: So lässt sich die Reaktion der SPÖ-Spitze auf den Ruf nach einer Mitgliederabstimmung über einen etwaigen Koalitionsvertrag mit der ÖVP zusammenfassen. Wirkungsvoller als mit seinen formalistischen Zeilen via Pressedienst hätte der schon im Wahlkampf mit Apparatschikqualitäten aufgefallene Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos (Werbeausgaben? "Ich wüsste nicht, was Sie das angeht!") kritische Nachwuchshoffnungen aus der Sektion 8 nicht vergrätzen können. Ein ernsthaftes Angebot zur Debatte wäre das Mindeste, das die Basis verdient hätte.

Im Kern hat Darabos jedoch recht. Die Entscheidung über eine Koalition sollte bei Vorstand und Präsidium bleiben. Eine Drohpotenzial entfaltende Urabstimmung würde das Gegenteil des Gewollten bewirken: Sie beschneidet die Chancen, mit der ÖVP einen Pakt zu erreichen.

Ein Koalitionsvertrag ist ein Gesamtkunstwerk, das Kompromisse verlangt. Dabei kann sich selbst der Verzicht auf Kernforderungen lohnen, wenn dies ausreichend entschädigt wird. Bei einer Urabstimmung droht sich die Entscheidung hingegen auf einzelne, emotionale Fahnenfragen zuzuspitzen. So könnte an Studiengebühren ein ganzer Koalitionsvertrag scheitern - selbst wenn dieser Milliarden für Unis und Stipendien verheißt. Mangels koalitionärer Alternativen wäre der Preis für die reine Lehre hoch: der Gang in die Opposition, die Schuld an Neuwahlen. (Gerald John, DER STANDARD, 4.10.2013)