No Ceremony/// kommen aus Manchester. Sie kennen die Musik New Orders sehr gut.

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Verfremdete Stimmen zählen in der Popmusik seit Jahren zum guten Ton. Das hatte ursprünglich einmal damit zu tun, dass man technisch unbedarften Gesangsdarstellern mittels Autotune-Effekt nachträglich die richtigen Tonhöhen verpassen konnte. Der Effekt ist aber längst zum eigenen, tausendfach kopierten Stilmittel geworden. Meister des Autotune wie der britische Bassmusik-Soulcrooner James Blake oder schwedische Pop-Avantgardisten wie The Knife verwenden Autotune im Sinne eines Instruments. Mitunter entsteht so abseits quietschbunter Mickey-Mouse-Lieder aus dem Hause Miley Cyrus oder Katy Perry eine sensible, allerdings immer auf körperlose Distanz gehende eigene Ausdrucksweise, die die bloße Effekthascherei überwindet.

Beim aus dem britischen Manchester kommenden Trio No Ceremony/// dürften sich der Versuch, aus der Not eine Tugend zu machen, und das Ringen um ein künstlerisches Alleinstellungsmerkmal dabei die Waage halten. Grundsätzlich gilt, dass die Kunst des Songwriting bei No Ceremony/// zwar grundsätzlich gepflegt wird, allerdings wird sie bei hohem technischen Produktionsstandard auf eher bescheidenem Niveau ausgeübt. Kurz gesagt, ohne die sphärisch verfremdeten Stimmeffekte der Sängerin Victoria würde es gar nicht so oft auffallen, wenn dieses titellose Debütalbum aus dem Herzen der Blogospäre-Hypes im Hintergrund läuft.

Ein ruhiger gleichmäßiger Fluss

Ähnlich wie das derzeit noch angesagtere schottische Trio Chvrches mit seinem Debüt The Bones Of What You Believe verweisen die Sounds, beinahe muss man sagen: selbstverständlich, zurück in die 1980er- und mittlerweile dank deren Abarbeitung auch schon herauf in die frühen 1990er-Jahre. Das bedeutet, dass neben käsigen Synthesizersounds aus der Soundbibliothek mittlerweile auch fröhliche Durchgeknalltheit mit überzogenen Halleffekten einhergeht. Wer sich dank Altersmilde oder der Gnade der späten Geburt noch oder schon wieder über Aqua und deren Hit Barbie Girl freuen kann oder gern zu Haddaways What Is Love? tanzt, erfährt hier zusätzlichen Mehrwert durch dunkle Synthiemotive aus der Hochzeit New Orders oder Depeche Modes.

Auch das ebenfalls britische Duo AlunaGeorge hat es vor einigen Wochen schon unter Beweis gestellt: Alle jungen Menschen, die mit Musik ein wenig Karriere machen wollen und dabei nicht im Zeichen des Ballaballa auf ein gewisses Niveau verzichten wollen, produzieren derzeit ähnliche Musik. Als qualitativ hochwertige weitere Bestandteile gesellen sich dann noch Spurenelemente von Disco, House und synthetischer Soulness dazu. Richtig los geht es dadurch aber doch nicht.

Als Gast haben sich No Ceremony/// für den Song Heartbreaker übrigens ein wirkliche Institution des 1980er-Jahre Alternative Rock ins Studio geladen. Joey Santiago Jr., Leadgitarrist bei den Pixies, zerlegt einen Dreiklang Richtung Dringlichkeit. Die dazugehörigen pumpenden Beats entwickeln dadurch eine beinahe aus dem gleichförmigen Fluss der restlichen Songs ragende Behauptung, nicht nur mitten im Leben, sondern auch mitten auf der Tanzfläche zu stehen. Das ist den restlichen Liedern nicht einmal ansatzweise beschieden.

Man muss sich einfach damit abfinden, dass die Zeit der Großbands ähnlich wie in der politischen Parteienlandschaft endgültig vorbei ist. Viele Kleinparteien drängen in die Öffentlichkeit. Ein allgemein verbindlicher Konsens lässt sich trotz ähnlicher Inhalte nicht mehr herstellen. Die vielbeschworene und auch schon etwas in die Jahre gekommene neue Selbstständigkeit bedingt bei No Ceremony///, dass auf dem eigenen Label veröffentlicht wird. Das erhöht die niedriger gewordenen Gewinnspannen. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 4.10.2013)