Aufnahme des Kometen ISON vom 29. September, erstellt am Alfred-Jensch-Teleskop der Landessternwarte Thüringen. Der Kometenkern selbst, dessen Größe auf einige Kilometer geschätzt wird, ist nicht sichtbar, da er vom freigesetzten Staub überstrahlt wird.

Foto: Thüringer Landessternwarte Tautenburg/Dr. Bringfried Stecklum

Katlenburg-Lindau - Vor gut einem Jahr erst entdeckt, begeisterte der Komet C/2012 S1 (ISON) von Anfang an die Astronomen. Der Grund: Es ist kein periodischer Komet, der sich regelmäßig beobachten ließe. Vermutlich ist es sogar das erste Mal, dass ISON, aus der Oortschen Wolke am Rand des Sonnensystems kommend, eine Bahn durchs innere Sonnensystem zieht.

Und diese Bahn wird ihn am 28. November in äußerst geringem Abstand an der Sonne vorbeiführen: 1,8 Millionen Kilometer, das ist nur wenig mehr als der Äquatordurchmesser der Sonne. Was diese enge Passage mit dem Kometen anstellen wird, ist noch offen. Er könnte auseinanderbrechen - zumindest aber wird er interessante Einblicke in sein Innenleben gewähren, wie das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) berichtet.

Es wird heißer

Forscher des Instituts gehören zu den zahlreichen Astronomen weltweit, die ihre Beobachtungsinstrumente nun auf den Besucher vom Rand des Sonnensystems richten. Im Verlauf des vergangenen Jahres hat der Komet bereits deutliche Helligkeitsveränderungen gezeigt und Gas ausgedampft. Erst war es gefrorenes Kohlendioxid und wahrscheinlich auch Kohlenmonoxid. Seit dem Sommer ist er der Sonne nah genug, um auch Wasser auszudampfen.

Der Höhepunkt dieser Entwicklung wird dann eintreten, wenn ISON die engste - und für ihn möglicherweise fatale - Annäherung an die Sonne erreicht. "In dieser Entfernung wird die Temperatur an der Oberfläche des Kometen bis zu 2.000 Grad Celsius erreichen", erklärt Kometenforscher Hermann Böhnhardt, der die Aktivitäten des MPS rund um ISON leitet. Winzige Staubteilchen an der Kometenoberfläche könnten verglühen und Stoffe, die sonst tief im Innern gebunden sind, verdampfen. Darunter auch Metalle, die normalerweise in Form von Mineralien im Kometengestein gebunden sind und deshalb von Teleskopen auf der Erde nicht wahrgenommen werden können, wie Böhnhardt erklärt.

Blick zurück in die Anfangszeit

Der Komet könnte aber auch noch etwas ganz Anderes zeigen: Nämlich organische Stoffe, die möglicherweise bis zu ein Drittel der mineralischen Kometenmasse ausmachen. Von genaueren Einblicken in diese Komponenten erhoffen sich die Forscher Informationen über die Verteilung der Stoffe in der Frühzeit des Sonnensystems, denn der Komet hat sie gewissermaßen wie in einer Zeitkapsel koserviert. Vielleicht lässt sich aus den Beobachtungen ISONs auch ableiten, wie wahrscheinlich die Hypothese ist, dass Kometeneinschläge mit solchen organischen Molekülen einst die Grundbausteine des Lebens auf die Erde brachten. 

Was genau ISON am 28. November am besten tun sollte, darüber scheiden sich die Geister: Die einen hoffen, dass er spektakulär zerbricht. Die anderen darauf, dass er es im Ganzen an der Sonne vorbeischafft und dann einen ebenso spektakulären Schweif hervorbringt. Da eine Menge neuer Erkenntnisse in jedem Fall garantiert ist, können sich die Astronomen aber beruhigt zurücklehnen und abwarten, was geschieht. (red, derStandard.at, 5. 10. 2013)