Wenn Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner am Samstag in Aspern ein Band durchschneidet und dazu das Nockalm Quintett spielt, ist die dritte und letzte Ausbaustufe der U2-Verlängerung offiziell erreicht. Zehn Jahre nach dem Spatenstich zur ersten Erweiterungsetappe vom Schottenring zum Happel-Stadion wird die U2 damit zur zweitlängsten U-Bahn-Linie der Hauptstadt.

Fast 28 Jahre lang folgte die Trasse der U2 allein der Bezirksgrenze der Inneren Stadt. Auf der sogenannten "Zweierlinie" zwischen Karlsplatz und Schottenring war sie zwischen August 1980 und Mai 2008 mit einer Länge von 3,5 Kilometern nicht nur die kürzeste, sondern auch die am schwächsten ausgelastete U-Bahn-Linie Wiens. Pläne, die Strecke zu verlängern, gab es bereits seit Jahrzehnten.

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Auch eine U-Bahn zum ehemaligen Flugfeld Aspern, der neuen Endstation, war schon in den 1970er Jahren angedacht. Die rein transdanubische U7 von Floridsdorf über Kagran nach Großenzersdorf blieb freilich eine kühne Idee. Wie eine Karte aus dem Jahr 1977 zeigt, gab es im damaligen Planungsübermut auch Überlegungen, den Westen Wiens mit gleich sechs U-Bahn-Ästen zu erschließen.

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Die Entscheidung für die Trassenverlängerung der U2 war keine einfache. Zwischen 1996 und 1998 glichen die möglichen Pläne für die U-Bahn-Erschließung des 22. Bezirks einem städteplanerischen Wirrwarr, wie der Abbildung zu entnehmen ist. Die meisten Varianten sahen eine Anbindung an die Stammstrecke über die südliche Endstation am Karlsplatz vor.

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Gemäß einem der Pläne sollte die Strecke nicht von der Station Schottenring aus verlängert werden, sondern in einer ersten Ausbaustufe als abgetrenntes Teilstück vom Praterstern nach Aspern errichtet werden. Der Lückenschluss der Linie mit dem Projektnamen U2/5 zwischen Praterstern und Schottenring sollte erst mit der zweiten Ausbaustufe vollzogen werden. Im Jänner 1998 war der Zeitplan mit "sechs bis sieben Jahren" veranschlagt.

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3.768 Tage lagen schließlich zwischen dem Spatenstich und der offiziellen Freigabe der letzten U2-Etappe. Am 12. Juni 2003 wurde mit den Arbeiten zwischen Schottenring und Happel-Stadion begonnen, am 5. Oktober 2013 verkehrt die erste Garnitur in regulären 30 Minuten zwischen Karlsplatz und Seestadt. Der Ausbau wurde allerdings auf drei Etappen aufgeteilt: Ab Mai 2008 - pünktlich zur Fußball-EM - hieß die Endstation Stadion, ab Oktober 2010 Aspernstraße, nun Seestadt.

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Mit der letzten Etappe wächst die Strecke der U2 um 4,4 Kilometer auf eine Länge von 16,9 Kilometern. Sie wird damit die zweitlängste U-Bahn-Linie der Hauptstadt. Geringfügig länger ist nur mehr die U6 mit 17,5 Kilometern, dahinter liegen nun die U4 mit 16,4 Kilometern, die U1 mit 14,6 Kilometern und die U3 mit 13,5 Kilometern. Das Gesamtnetz wächst damit auf 78,8 Kilometer.

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Auf den 4,4 Kilometern sind vier neue Stationen geplant: Hausfeldstraße, Aspern Nord (unten) und die Endstation Seestadt (oben) werden ab sofort angefahren, die Station An den alten Schanzen befindet sich noch im Rohbau und wird erst fertiggestellt, sobald das Grätzel dichter besiedelt ist. Inklusive dieser umfasst die U2-Strecke nun 21 Stationen, sie liegt damit gleichauf mit der U3, hinter der U6 (24 Stationen) und vor der U4 (20 Stationen) und der U1 (19 Stationen).

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Dass die Station An den alten Schanzen wegen mangelnder Frequenz noch nicht angefahren wird, befeuert die Kritik an der U2-Verlängerung. Schon beim U6-Ausbau nach Siebenhirten und bei der U1-Erweiterung nach Leopoldau wurde vor "Geister-U-Bahnen" in ländlich geprägte und dünn besiedelte Gegenden gewarnt. Der private Verein "Fahrgast" wies bereits 1999 darauf hin, dass das Einzugsgebiet in Aspern die für die Wirtschaftlichkeit einer U-Bahn-Station "magische" Grenze von 50.000 Einwohnern wohl nicht erreichen wird. Derzeit sind im Planstadtteil Seestadt Wohnungen für 20.000 Bewohner geplant.

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Bereits 2006 wurden die voraussichtlichen Kosten für die U2-Verlängerung von 1,2 auf 1,3 Milliarden nach oben korrigiert. Die erste Etappe zwischen Schottenring und Stadion kostete schließlich 890 Millionen, die Ausgaben für die zweite Etappe zwischen Stadion und Aspernstraße gibt die Gemeinde mit 430 Millionen Euro an, jene für die nun eröffnete dritte Etappe mit 360 Millionen Euro. Die Gesamtinvestitionen für den zur Gänze oberirdisch angelegten U-Bahn-Bau betragen also rund 1,7 Milliarden Euro. Dieser Summe soll eine Wertschöpfung von geschätzten 3,8 Milliarden Euro gegenüberstehen.

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Die U2 überquert als dritte Wiener U-Bahn-Linie die Donau. Damit sie sicher übersetzen kann, wurde die Donaustadtbrücke adaptiert. Die Linie U1 fährt seit 1982 auf dem Unterdeck der Reichsbrücke über den Strom, die Linie U6 über den Georg-Danzer-Steg.

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Die U2-Verlängerung hat einen dreimal geringeren ökologischen Fußabdruck als eine angenommene Vergleichsstrecke für Pkws, errechnete ein Forscherteam der TU Wien. Dabei wird "der Verbrauch von Natur durch den Menschen" in Hektar gemessen. 3.100 Hektar pro Jahr bei der U2-Verlängerung stehen 10.100 Hektar bei einer Straße gegenüber.

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Mit der U2-Verlängerung werden auch die Fahrpläne der anderen U-Bahn-Linien angepasst. Das U3-Intervall verkürzt sich etwa werktags zwischen 9 und 12 Uhr von fünf auf vier Minuten. Außerdem wird die um 68 Millionen Euro ebenfalls verlängerte Straßenbahnlinie 26 erstmals an ihr neues Ziel, die Station Hausfeldstraße, fahren. Damit werden auch Strebersdorf und Kagran mit der U2 vernetzt. Und damit gleich alles in einem geht, wählten die Wiener Linien den 5. Oktober auch für die Umbenennung der U6-Station Philadelphiabrücke: Sie heißt künftig Bahnhof Meidling.

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Am Samstag ist zur Einweihung der längeren U2 ein großes Fest an ihrer neuen Endstation Seestadt geplant. Neben dem Nockalm Quintett werden auch DJ Ötzi und die Teilnehmer eines Highlander-Schaukampfes anwesend sein. Bürgermeister Michael Häupl und Verkehrsministerin Doris Bures, die sich ebenfalls angesagt hatten, ließen sich entschuldigen.

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So wie auf dem Rendering oben wird die 240 Hektar große Seestadt Aspern übrigens erst in einigen Jahren aussehen. Der jetzt noch fast menschenleere Stadtteil soll 2028 endgültig fertiggestellt werden. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 3.10.2013)


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