Es riecht weder süß nach Verwesung noch scharf nach Konservierungsstoffen. Olfaktorisch könnte die Tierpräparation im Wiener Naturhistorischen Museum auch eine Werkstätte für Modellflugzeuge sein. Wären da nicht dutzende Glasaugen, die ausdruckslos vor sich hinstarren.

Foto: DER STANDARD/Andy Urban

Der Blickfang ist nach dem Eintreten der Sibirische Tiger, der vor wenigen Wochen im Tiergarten Schönbrunn verstarb. Die bedrohte Großkatze wird Teil der Ausstellung "Das Geschäft mit dem Tod. Das letzte Artensterben" sein, die gemeinsam mit dem WWF konzipiert wurde und in drei Wochen eröffnet wird. Auf 550 Quadratmetern sollen bedrohte Tierarten und die Gründe dafür veranschaulicht werden.

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Die Präparation des Tigers war nicht einfach, wie Robert Illek, der Leiter der Zoologischen Hauptpräparation, erzählt. Bei der Taxidermie, der Haltbarmachung von Tierkörpern, wird im Prinzip das Fell des Tiers über ein Plastikmodell des Körpernachbaus gezogen. Für Sibirische Tiger existiert so etwas freilich nicht, da die bedrohte Tierart nicht bejagt werden darf. Daher schaffte sich die Tierpräparation ein Löwenmodell an und nahm mit Hilfe von Knochenabmessungen und Fotografien die notwendigen Anpassungen vor. 90 Arbeitsstunden waren dafür notwendig.

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Auch die Augen aus dem "Prospekt" gefielen den Mitarbeitern nicht. Daher bemalte die Modellbauerin im Team farblose Glasaugen selbst. Allein an den perfekten Augen arbeiteten zwei Mitarbeiter drei Tage lang. "Ein Aufwand, der in der Privatwirtschaft natürlich nicht möglich wäre. Aber im Museum können wir uns Ungenauigkeiten nicht leisten", sagt Illek. Der letzte Feinschliff war die Bearbeitung der Schnurrbarthaare mit dem Glätteisen.

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"Die Arbeit ist trotzdem nicht ganz unblutig. Man braucht einen guten Magen", sagt der Chefpräparator. Denn zunächst muss man die Haut abziehen und die Knochen ebenfalls vom Fleisch reinigen, die meist für Studienzwecke aufbewahrt werden.

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Wenn neue Ausstellungen konzipiert werden, kommen teilweise recht klare Aufträge, was sich die Kuratoren vorstellen. Eine Herausforderung, die Kreativität verlangt, was für Illek auch den Reiz seiner Arbeit ausmacht. "Es ist aber ein Märchen, dass die Tiere hier für die Präparation getötet werden", sagt er. Es werde nur mit bereits verstorbenen Tieren gearbeitet. Ein Igel, ein Ziesel und ein Feldhamster sollten als "Straßenopfer" inszeniert werden. Illek berichtet, wie das gelöst wurde: "Wir haben einen toten Igel in ein Plastiksackerl gepackt, und ein Kollege ist im Innenhof darübergefahren."

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Dieser Stör wurde um 1887 in der Donau gefunden und präpariert.

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Eine weitere wichtige Quelle für die neue Ausstellung über bedrohte Arten ist der Tiefenspeicher des Naturhistorischen Museums. Vor 20 Jahren wurde er parallel zum U-Bahn-Bau vier Stockwerke in die Tiefe gebaut. Dort herrschen eine konstante Temperatur von 8 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von rund 60 Prozent. Das erspart eine giftige Konservierung.

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Denn selbst wenn sich Insekteneier in den Präparaten befinden, können sie bei diesen niedrigen Temperaturen nicht schlüpfen. "Früher wurden die Präparate mit Gift behandelt. Das war auch eine sehr ungesunde Atmosphäre für die Mitarbeiter", sagt Heinz Grillitsch, Leiter der Herpetologischen Sammlung.

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Ein kleiner Bereich davon sind beschlagnahmte Fundstücke des Zolls. Grillitsch öffnet drei breite Metallspinde, die bis auf zwei Meter Höhe mit ausgestopften Kobras befüllt sind. In anderen Kästen befinden sich Krokodilslederschuhe und -handtaschen. "Der Handel mit Tierarten kann ein Grund sein, wieso sie bedroht sind. Diese Stücke verdeutlichen das", sagt Grillitsch.

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"Bitte nichts angreifen. Sie vergiften sich, wenn sie allzu sehr haptisch tätig werden", begrüßt Frank Zachos, Leiter der Säugetiersammlung, die Besucher in seinem Bereich im Tiefenspeicher. Denn viele ältere Präparate wurden noch mit Arsen behandelt. In den Regalen stapeln sich viele Meter lang Affen und Nagetiere. Hunderte Felle hängen fein säuberlich nebeneinander.

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Auf den freien Flächen stehen Nashörner, Bären und Großkatzen nebeneinander. Der springende Löwe stand lange Zeit in der Eingangshalle. Für ein Fest der Parlamentarier wurde er auf ausdrücklichen Wunsch der Veranstalter wieder nach oben geschafft, weil sich viele Politiker mit ihm fotografieren lassen wollten.

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An einigen Exemplaren nagt deutlich der Zahn der Zeit. Dem Nashorn reißt in der Mitte des Rumpfes die Haut auseinander, aus der Lücke klafft ein Holzskelett. Vielen Affen fehlen Augen. "Wir platzen aus allen Nähten", sagt Zachos. Insgesamt verfügt die Sammlung über 70.000 Säugetiere.

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Dazwischen befindet sich ein besonderer Schatz. Auf den ersten Blick erscheint das bräunliche Zebra unscheinbar, doch es ist ein Equus quagga quagga, das 1883 vom Menschen ausgerottet wurde. Weltweit existieren nur noch 24, vom ausgestorbenen Blaubock überhaupt nur noch vier präparierte Exemplare. Das Naturhistorische Museum besitzt eines davon. Vor rund zehn Jahren konnte posthum sogar eine genetische Probe genommen werden.

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"Derlei Schweinereien gibt es leider immer wieder", sagt Zachos und zeigt einen Elefantenfuß, der zum Schirmständer umfunktioniert wurde. Auch von Gorillahänden, die als Aschenbecher verwendet werden, kann der Zoologe berichten.

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Früher waren die Voraussetzungen der Tierpräparatoren ganz andere. "Da musste ein Stück vergammelte Haut in Form gebracht werden", schildert Zachos.

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Der Tiergarten Schönbrunn meldet sich bei jedem gestorbenen Tier, doch häufig lehnt das Museum ab. So auch bei einem Elefanten: Der Aufwand wäre zu groß gewesen, der wissenschaftliche Wert zu gering. "Biologisch gesehen ist ein überfahrener heimischer Ziesel für uns wichtiger als ein Tiger aus dem Zoo", sagt Zachos. (Julia Schilly, derStandard.at, 1.10.2013)

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