Sofia/Istanbul – 13 Seiten ist der Brief aus der Graf-Ignatiew-Straße in Sofia lang, und Programmdirektor Christoph Gramsch muss aus allen Wolken gefallen sein. Kampagnenjournalismus, einseitige Berichterstattung, schlichte Erfindungen warf der Vorstand der Corporate Commercial Bank in Bulgarien der "Deutschen Welle" ("DW") mit Schreiben vom 30. August vor – genauer gesagt, zwei Korrespondenten in Sofia. Dort tobt seit Jänner der politische Kampf: Demonstranten, Regierung, Oligarchen. Jeder gegen jeden.

In Bonn am Rhein, wo der deutsche Auslandssender seinen Hauptsitz hat, fackelten die Chefs nicht lange. Emmy Baruch und Iwan Bedrow, zwei namhafte Journalisten in Bulgarien, wurden erst einmal gefeuert und Alexander Andrejew, der Leiter der bulgarischen Redaktion in Bonn, vom Dienst suspendiert. Ein Mega-Skandal im politisch aufgeladenen Sofia.

Die Anti-Regierungsdemonstranten zogen Ende September mit einem neuen Thema auf die Straße: Tsetwan Wassilew, der mächtige Banker, hat auch die "DW" in die Knie gezwungen. Das Helsinki-Komittee in Sofia schrieb einen Protestbrief an die Deutschen. Am Montag flogen sie ein: Programmdirektor, Regionaldirektorin, der mitterweile rehabilitierte Redaktionsleiter – für ein Wiedergutmachungs-Interview mit Banker Wassilew und für eine Pressekonferenz am Dienstag. Die Botschaft aus Bonn: Die Entlassungen haben rein gar nichts mit der Beschwerde der Bank zu tun.

Weiterarbeit angeboten

Auch intern wird eingeräumt, was die Sendeleitung offiziell zum Fall Baruch & Bedrow sagt – journalistische Standards seien nicht eingehalten worden. Aber ihren beiden Journalisten bietet die "W" nun doch lieber die Weiterarbeit an. Emmy Baruch ist seit der  Wende 1989 beim Sender. Damals kam die "DW" wegen der Demokratie. (Markus Bernath, DER STANDARD, 2.10.2013)