Klaus Köhler trägt in der Doppelrolle von Danton und Robespierre die Widersprüche der Vernunft mit sich selbst aus.

Foto: PATRICK PFEIFFER

Linz - Die Bühne der Revolution hängt schief, in ihrer Mitte klafft ein tiefes Loch. Aus diesem klettern die Protagonisten und strecken die Arme zu dumpfem Beat in die Höhe, "Allons enfants!" skandierend. Gefühlte sehr viele Minuten zu lange dauert diese bemüht zeitgemäß aufgeladene Anfangssequenz. Allerdings: Das Spiel wird ruhiger und konzentrierter, je länger es dauert. Büchners Drama setzt fünf Jahre nach dem Sturm auf die Bastille an, 1794, als die Revolution kurz davor steht zu scheitern. Die Protagonisten ergehen sich in mörderischen Grabenkämpfen, die Bevölkerung hungert nach wie vor, königlicher Absolutismus wurde durch Tyrannei ersetzt. Politische Gefangene, Konterrevolutionäre werden durch die Guillotine zu Hunderten getötet. Die "Menschen- und Bürgerrechte", die fünf Jahre zuvor in der französischen Nationalversammlung erklärt wurden, verkommen zur Laufschrift an den Bühnenwänden und zu Aufdrucken auf T-Shirts.

Christian Wittmann hat Büchners auf historischen Fakten beruhendes Drama (1835 vor dem Hintergrund seiner eigenen Verfolgung geschrieben) stark gekürzt und verzichtet auf einige Rollen gänzlich. Seine Regie allerdings konzentriert sich ohnehin weniger auf die Beleuchtung des historischen, philosophischen oder gesellschaftspolitischen Kontextes als auf die beiden Heldenfiguren Georges Danton und Maximilien de Robespierre. Sie lässt der Regisseur nämlich verschmelzen zu einer mit sich hadernden Person (Klaus Köhler). Und dieser macht sich sehr gut darin, die Brüche und Reibeflächen der Revolutionäre herauszuschälen. Vor allem das Zwiegespräch der beiden wird durch diese Inszenierungsstrategie zu einem manischen, sich in Redundanz und rasender Sprechrhythmik ad absurdum führenden Selbstgespräch.

Auch Barbara Novotny löst ihre Dreifachrolle (St. Just, Dantons Gattin Julie und eine der drei Grisetten, Marion) bravourös. Schön umgesetzt ist jene Szene, als Danton, Lacroix (Leon Ullrich), Philippeau (Manuel Klein) und Camille (Björn Büchner) im Gefängnis über Gott, Moral und den Sinn des Daseins räsonieren. Verdienter Applaus. (Wiltrud Hackl, DER STANDARD, 1.10.2013)