Helsinkis Faible für schöne Alltagsgegenstände ist eng verbunden mit dem Industrie-Erbe im Stadtteil Arabianranta.

Foto: Fiskars / Arabia

Die Arabia-Fabrik in einer historischen Aufnahme.

Foto: Fiskars

Helsinki Design Week im September, gut und schön. Aber fescher Dinge wegen kann man guten Gewissens auch die restlichen 51 Wochen des Jahres nach Finnland fahren. Die braucht das Land mit dem besonders langen Winter und dem kurzen Sommer, um sich selbst und natürlich ebenso seine Gäste bei Laune zu halten.

Wie lang diese Liebe zur guten Gestaltung schon währt, davon zeugen 2013 gleich zwei Jubiläen: Finnisches Design selbst ist offensichtlich schon so etabliert, dass sogar das Museum für Design in Helsinki heuer 140 Jahre alt wurde. Die unterschätzteste Disziplin darunter: finnische Keramik. Doch das Urgestein unter den Herstellern - Arabia - verdient nun endlich diesen Namen und feiert 2013 ebenfalls seinen 140er.

Zwar steht Arabia heute nicht mehr alleine da - der Hersteller handwerklicher Geräte Fiskars übernahm die angeschlagene Firma zu Beginn der Jahrtausendwende wie übrigens auch die Glashütte Iittala -, aber die Arabia-Produkte verkörpern bis heute vor allem eines: die innige Verbindung der Finninnen und Finnen zu ihren Alltagsgegenständen.

Sichtbarer Teil der Geschichte

Dazu trägt auch der sichtbare Teil der Keramik-Geschichte bei. Im Nordosten von Helsinki, gut erreichbar mit Bus oder Straßenbahn, ragt der Schlot der alten Arabia-Fabrik in den Himmel. Bis heute dient diese Fabrik als Design- und Produktionsstätte für das Label. Und der Koloss strahlt inmitten des - sprechen wir es ruhig aus - recht unwirtlichen Geländes eine angenehme Ruhe aus. An allen Ecken und Enden wird gebaut und geschaufelt, denn in dem ehemaligen Industriegebiet entsteht gerade das neue "Arabianranta". In dieser künstlich geschaffenen finnischen Kunst- und Design-Stadt sollen nach der Fertigstellung rund 10.000 Menschen leben und bis zu 5000 arbeiten.

Der Besuch des Fabriksgeländes selbst ist durchaus lohnenswert. Es beherbergt heute neben der Aalto-Universität auch das Art Department, das Arabia-Museum - und freilich einen Arabia-Factory-Shop. Das Museum bietet zunächst einen guten Einblick in die wechselvollen Designs von Arabia während der vergangenen Jahrzehnte. Aber auch ausgeklügelte Teesets aus früheren Jahrhunderten finden sich dort ebenso wie Oiva Toikkas Keramik-Objektserie "Birds" oder der Verkaufsschlager und moderne Klassiker "Teema" des prägenden Designers Kaj Franck. Vor allem treue Kundinnen aus Deutschland und Japan, so heißt es, reagierten verschnupft, als die eingeführte Arabia-Serie nach der Fiskars-Übernahme fortan unter dem Label Iittala vermarktet wurde.

Wer sich für die Prozesse im Gebäude interessiert, dem sei eine Führung durch das Haus angeraten. Man besucht den Produktionsraum, den Showroom und die Kreation. Seit den 1930er-Jahren spielen hier Künstler und Designer mit Material und Formen, nur manche Arbeiten gehen später in Serie.

Nationale Demut für Vintage

Für Arabia sind bis heute ausschließlich finnische Designer tätig. Diese Politik soll das Image der bodenständigen Nationalmarke einmal mehr festigen. Denn deren Geschirrsets werden geradezu mit Demut von Generation zu Generation weitergereicht. Außerhalb Finnlands wirkt Arabia mittlerweile wie eine Vintage-Marke, der längst Iittala als Vertreterin von zeitgenössischem Keramikdesign den Rang abgelaufen hat.

Recht bemerkenswert am Factory-Store: Er verscherbelt nicht nur B-Ware, sondern auch normalerweise nicht mehr erhältliche Stücke zu erschwinglichen Preisen. Aber wirklich günstig ist in Helsinki für die mitteleuropäische Brieftasche freilich nichts. Davon zeugen die zahlreichen Shops im Zentrum, die die finnischen Traditionsmarken ebenso feilbieten. (Ina Freudenschuss, Album, DER STANDARD, 28.9.2013)