BZÖ fliegt aus dem Nationalrat

Am Ende blieb nur die Enttäuschung: Noch bei der Stimmabgabe in seiner Heimatgemeinde Friesach (Kärnten) hatte BZÖ-Chef Josef Bucher sich zuversichtlich gezeigt, die Vier-Prozent-Hürde zu nehmen. "Ich habe mir noch keine Gedanken über eine Zukunft ohne Politik gemacht", sagte er. Ein Fehler, wie sich nur wenige Stunden später zeigte. Bucher und sein BZÖ haben den Wiedereinzug in den Nationalrat nicht geschafft. Das Ergebnis fiel desaströs aus: 3,6 Prozent der Stimmen (minus 7,1) - ohne Wahlkarten.

BZÖ-Bündniskoordinator Markus Fauland blieb dennoch hoffnungsvoll. Er setzt nun auf die Wahlkarten. "Es hat leider nicht gereicht oder zumindest wird es äußerst knapp und schwierig", sagte Parteichef Bucher.

Zur Erinnerung: Bei der Wahl 2008 war das BZÖ mit dem kurz danach verstorbenen Jörg Haider an der Spitze mit einem Plus von 6,59 Prozentpunkten und 10,70 Prozent sehr erfolgreich.

Wirklich überraschend kommt das Ergebnis für das BZÖ allerdings nicht. Nur einige wenige Umfragen sahen es über der Vier-Prozent-Marke - die meisten darunter. Beim Verfolgen der Hochrechnungen im Fernsehen herrschte Stille in der BZÖ-Parteizentrale. Josef Bucher glaubt nicht an ein Ende seiner Fraktion: "Es wird das BZÖ aus meiner Sicht immer geben." Ob er mit von der Partie sein wird, ließ er offen. Wahrscheinlich würden die Jungen das Ruder übernehmen, sagte er. Aber die Entscheidung, wie er sich seine Zukunft vorstelle, werde er alleine treffen.

FPÖ: Strache knapp vor dem blauen Wunder

Dank der schwachen Performance von Frank Stronach konnte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache weit mehr bei den wütenden Systemgegnern und frustrierten Krisenverlierern punkten - und sich am Wahlabend mit der Volkspartei sogar kurz um Platz zwei matchen. Alles trägt Schals mit der Aufschrift "Aus Liebe zur Heimat", alles jubelt und schreit "Ha-Ze! Ha-Ze!", als die erste Hochrechnung die blaue Säule in die Höhe schießen lässt.

Wahlsonntag, in der Zentrale der FPÖ. Bald steht fest: Die Freiheitlichen liegen bei 21,4 Prozent - und damit nur knapp hinter den Bürgerlichen.

Damit ist "das blaue Wunder" und das Erreichen des zweiten Platzes, das sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei seiner Stimmabgabe herbeigewünscht hat, beinahe eingetreten. Zum Vergleich: Bei der Nationalratswahl 2008 erreichte die Partei 17,5 Prozent, macht also ein Plus von fast vier Prozent.

Anders als bei den Landtagswahlen im Frühjahr, im Zuge derer die FPÖ zum Teil herbe Verluste durch das Antreten des Teams Stronach und wegen eigener Skandale hinnehmen musste (keine acht Prozent mehr in Niederösterreich, keine achtzehn Prozent mehr in Kärnten), stieg die FPÖ diesmal in der Steiermark sogar zur stärksten Partei auf.

Offensichtlich kamen Strache die seltsamen TV-Auftritte von Frank Stronach und dessen Patzer wie die Forderung nach einer Todesstrafe für Berufskiller zugute. Im Gegensatz zum Milliardär, der ebenfalls im Lager der wütenden Systemgegner und frustrierten Krisenverlierer um Stimmen buhlte, wirkte Strache stets wohlbedacht. Trotz seiner scheinbar netten Nächstenliebe-Kampagne bot er dazu - wie stets - all das auf, was seine Fans von ihm hören wollen: keine Gnade für Asylbetrüger, kein Export von Familienleistungen ins Ausland, kein Geld mehr für marode EU-Staaten.

Generalsekretär Harald Vilimsky erklärte die FPÖ schon am frühen Abend zum Wahlsieger. Das Aufschließen zur Volkspartei interpretierte er als "Absage an die EU-Hörigkeit der ÖVP". Strache selbst forderte Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann auf, die blaue Ausgrenzung zu beenden, weil es nun drei bestimmende Parteien im Land gebe - zur Koalitionsbedingung erklärte er die Einführung der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild.

Grüne: Die Hoffnung war zu grün

Die Grünen haben sich die Latte selbst hoch gelegt - und sind daran gescheitert: Nach einem Wahlkampf, der Reizthemen aussparte, fällt das Resultat mit etwas über elf Prozent mager aus. Die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung stehen schlecht. Die grüne Losung war voreilig gewählt: "Best Ergebnis ever!", schallte es Besuchern entgegen, die sich am frühen Abend der grünen Wahlparty im Museumsquartier, dem Bobo-Zentrum Wiens, näherten. Doch so deutlich war der Vorsprung letztlich nicht. Mit 11,46 Prozent lagen die Grünen laut vorläufigem Endergebnis gerade um 0,40 Prozent über ihrem bisherigen Topresultat aus dem Jahr 2006.

Dennoch: Ein Gewinn bleibe ein Gewinn, will Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner in Halle E den Zuwachs von einem guten Prozent gegenüber der letzten Nationalratswahl im Jahr 2008 ausschließlich "mit einem lachenden Auge" quittieren. Die Grünen hätten im Superwahljahr auf 5:0 an Erfolgen gestellt, sagt er, und damit einmal mehr "flächendeckend großes Vertrauen" bekommen. Wallner rechnet überdies damit, dass seine Partei im Laufe der Woche noch zulegt: Am Donnerstag werden die Wahlkarten ins Ergebnis einfließen - und da sind die Grünen traditionell stark.

Eines steht aber fest: Auch ein nachträgliches Plus wird jene Erwartungen, die bei den Grünen vor der Wahl kursierten, nur zum Teil erfüllen. Am Wahlabend klingt der Applaus im Saal eher pflichtschuldig als überzeugt, manche Funktionäre haben wässrige Augen. "Wir hätten uns mehr erhofft", sagt Parteichefin Eva Glawischnig - auch sie versucht das Publikum mit dem Hinweis auf das beste Ergebnis aller Zeiten zu trösten.

Umfragen nachhinken

Mehr erwartet hat sich auch der Nationalratsabgeordnete Albert Steinhauser, bei dem sich ein von grünen Wahlabenden wohlbekanntes Gefühl einstellt: "Das Ergebnis ist weder ein Grund euphorisch, noch zu Tode betrübt zu sein." Die Grünen würden halt immer an den tollen Umfragen, statt am Ergebnis der vorherigen Wahl gemessen - was zu einer gewissen Realitätsverzerrung führe: "Mich hat heute sogar einer gefragt, warum wir verloren hätten."

Allerdings hatten nicht nur die Demoskopen, sondern auch die Grünen selbst die Latte hoch gelegt: "Mindestens 15 Prozent" gab Parteichefin Eva Glawischnig in einem Standard-Interview vor knapp einem Jahr als Ziel aus, offenbar in Kenntnis noch besserer Umfragwerte. Die heurigen Landtagswahlen bestätigten den Optimismus: In Kärnten fuhren die Grünen ein Plus von sieben Prozent ein, in Salzburg gar 12,8 Prozent. Regierungsbeteiligungen in beiden Ländern plus Tirol schienen die einstige Bürgerschreckpartei auch in konservativen Kreisen salonfähig zu machen.

Dementsprechend ambitioniert hatten die Grünen ihre Kampagne für die Nationalratswahl angelegt. Einen "Erweiterungswahlkampf" wollte Bundesgeschäftsführer Wallner führen, sprich: bei bislang unerreichbaren Schichten punkten. Komprimiert im Slogan "Saubere Umwelt, saubere Politik", setzte die Oppositionspartei auf zwei Kernthemen: Ökologie und den Kampf gegen Korruption. Schließlich sind die Grünen als einzige Parlamentspartei aufgefallen, die nicht durch ungustiöse Affären angepatzt ist.

Viele Themen, die den Grünen sonst noch am Herzen liegen, verschwanden in Nebensätzen. Die Bildungsproblematik sprach Glawischnig in den von ihr offensiv geführten TV-Duellen zumindest regelmäßig an, die Verteilungsfrage hingegen warfen die Grünen kaum auf; der Ruf nach Vermögenssteuern blieb im wesentlichen aufs geduldige Papier des Wahlprogrammes beschränkt.

Auch andere Reizthemen, die Wähler abseits der Kernklientel verschrecken könnten, versuchten die Grünen zu umschiffen. Das Niveau des Benzinpreises sah Glawischnig an der "Schmerzgrenze" angelangt, auf Plädoyers für die Ganztagsschule folgte stets die Versicherung: Man wolle diese Schulform nur "anbieten", aber keinesfalls vorschreiben.

Die Grünen hätten immer gute Sympathiewerte, fielen aber in puncto "Hard Facts" in der Wählergunst zurück, spricht Steinhauser einen möglichen Grund für die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit an. Eine andere Ursache könnten die Newcomer von Neos sein, die ebenfalls um liberal gesinnte Wählergruppen buhlen. Teilergebnisse, etwa aus Vorarlberg oder den Wiener Innenbezirken scheinen diese These zu stützen: Die Grünen verloren Stimmenanteile, während die rosa Konkurrenz vielfach auf über zehn Prozent emporschoss.

Kein Auftrag zum Regieren

Fragen nach Fehlern wischt Geschäftsführer Wallner am Wahlabend beiseite: "Wir müssen erst einmal schauen, was wir geschafft haben." Es stelle sich nun die Frage, ob die rot-schwarze Blockade gebrochen werden könne. Durch eine Regierungsbeteiligung der Grünen? Ob sich diese Perspektive ergebe, sei noch nicht abzusehen, sagt Wallner: "Wir haben immer gesagt, wir sind bereit."

So wirklich glauben die Grünen offenbar aber nicht an diese Möglichkeit: "Schon am morgigen Tag beginnt unsere weitere Arbeit", sagt Glawischnig: "Wir werden weitermachen müssen als gute Oppositionspartei. Das können wir und das werden wir."

Kleinparteien blieben zu klein: KPÖ scheiterte erneut, Piraten beim ersten Antreten auch

Die Kleinen bei dieser Wahl, die es österreichweit auf die Stimmzettel geschafft haben, blieben erwartungsgemäß viel zu klein, um den erhofften Sprung in den Nationalrat zu schaffen: Die wahlerfahrene Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) und die erstmals angetretene Piratenpartei verfehlten die Vier-Prozent-Hürde deutlich.

Für die KPÖ mit Spitzenkandidat Mirko Messner gab es in der steirischen Trendgemeinde St. Ilgen diesmal zwar drei statt wie 2008 nur zwei Stimmen, aber dieser Trend reichte nicht weit genug. Am Ende wurde es nur ein Prozent (2008: 0,76 Prozent). Sie will aber "weiterhin außerparlamentarisch an der Demokratie in diesem Land" weiterarbeiten.

Die Piraten sagten: "Die Politik versteht die Welt nicht mehr - Zeit für ein Update", ihrer Diagnose folgten aber viel zu wenige Wählerinnen und Wähler (0,76 Prozent). Sie wollen weitermachen.

Keine Chance auf rund 200.000 Stimmen - so viele waren nötig, um die Vier-Prozent-Hürde zu nehmen - hatten jene Parteien, die nicht in ganz Österreich, sondern nur in einzelnen Bundesländern kandidierten: die Christliche Partei Österreichs (CPÖ) in Oberösterreich, Vorarlberg und der Steiermark, der Wandel in Oberösterreich und Wien; in Vorarlberg probierten es die Männerpartei und die EU-Austrittspartei, und in Wien, Oberösterreich, Tirol, Salzburg und dem Burgenland stand die Sozialistische Links-Partei zur Wahl - und scheiterten. Insgesamt konnten diese kleinen "sonstigen" Parteien nur 0,24 Prozent für sich verbuchen.

Neos und Team Stronach: Neos ziehen auf Anhieb ins Parlament ein

Neos-Chef Matthias Strolz' junge Truppe schafft es aus dem Stand in den Nationalrat. Frank Stronachs "Team " im Parlament kann zwar den Parlamentsklub halten, die erstmalige Legitimation durch die Wähler fiel aber wesentlich niedriger aus als erhofft. Planziel eins ist voll aufgegangen: Die Neos, die vor noch nicht einmal einem Jahr gegründete Partei mit der Farbe Pink, hat es aus dem Stand in den Nationalrat geschafft. Bereits am frühen Sonntagnachmittag zeichnete sich recht klar ab, dass es die Pinken schaffen würden, die Vier-Prozent-Hürde zu nehmen. Im Doppelpack mit dem Liberalen Forum konnten sich die Neos nach der ersten Hochrechnung um 17 Uhr über 4,7 Prozent freuen, das amtliche Endergebnis ohne Wahlkarten wies 4,8 Prozent (neun Mandate) aus.

"Ein Jahrhundertprojekt ist gelungen", jubelte Neos-Vorsitzender Matthias Strolz. Erstmals in der Zweiten Republik habe eine "Bewegung aus dem Volk" beim ersten Wahlantritt den Sprung ins Parlament geschafft. Er sprach von einem "großen Tag" für seine junge Partei: "Die Botschaft dieses Wahlabends ist: Es ist möglich."

Planziel zwei ist jedoch nicht erreicht worden: Die Mehrheit von SPÖ und ÖVP konnte trotz herber Verluste nicht gebrochen werden. Sie werden damit keinen dritten Koalitionspartner und damit auch nicht die Neos brauchen.

Diesmal nicht, sagte Strolz im Standard-Interview: "Ich glaube, sie haben erkannt, dass das die letzte Ausfahrt ist. Die große Koalition war 1975 bei 93,3 Prozent. Sie verlieren seit 40 Jahren ganz verlässlich Wahlen. Bei der nächsten Wahl erreichen sie die Todeslinie von unter 50 Prozent."

Historische Königsdisziplin

Prinzipiell stünden die Neos parat: "Man muss in der Königsdisziplin natürlich bereit sein, auch Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen. SPÖ und ÖVP werden als Verlierer des Tages gut beraten sein, sich zu fragen, ob eine Koalition der Verlierer nicht vielleicht die falsche Botschaft ist", warnte der Pink-Chef.

Jedenfalls ist den Neos etwas Historisches gelungen. Als erste Partei nach dem FPÖ-Vorgänger Wahlplattform der Unabhängigen (1949) schaffte es die von Unternehmensberater Strolz und Veit Dengler, demnächst Chef der Schweizer NZZ-Mediengruppe, initiierte liberale Bewegung gleich im ersten Anlauf in den Nationalrat, ohne bereits dort über einzelne Abgeordnete verfügt zu haben wie das Team Stronach oder vormals das Liberale Forum (LIF).

Das LIF war allerdings mitentscheidend für den pinken Wahlerfolg, denn das von Heide Schmidt gegründete LIF bildete wie die Jungen Liberalen mit Neos eine Wahlplattform. Eine Fusion der beiden Parteien sei "durchaus denkbar", sagte LIF-Chefin Angelika Mlinar, Nummer zwei auf der Neos-Liste. Sie und Neos-Vizechefin Beate Meinl-Reisinger sind zwei weitere der bis zu zehn neuen Neos-Mandatare. Neos-LIF-Finanzier und Ministerkandidat Hans Peter Haselsteiner verfolgte den Triumph aus dem Ausland.

Die Neos, die neunte Parlamentspartei der Zweiten Republik, definieren sich als liberale, proeuropäische Partei. Themen im Wahlkampf waren unter anderem eine Pensions- und Bildungsreform sowie eine Stärkung der direkten Demokratie und eine Bürokratiereform. In der Kommunikation setzt man stark auf "neue Medien" und twitterte intensiv Politisches und weniger Politisches im Wahlkampf.

Viel Geld - wenige Stimmen

5,8 Prozent und nur zwei Mandate mehr als die Neos dürften es für das Team Stronach werden. Es bleibt damit weit hinter den selbstgesteckten Erwartungen. Parteigründer Frank Stronach hatte im Vorfeld mit zwanzig bis dreißig Prozent der Stimmen gerechnet und auch den Kanzlerposten im Bereich des Möglichen gesehen. Rund sechs Prozent ist für die junge Partei eine Niederlage.

Dementsprechend wenig euphorisch fiel auch die Reaktion von Stronach aus: "Es ist, wie es ist", sagte er in einer ersten Reaktion. "Wir sind im Parlament."

Immerhin kann Stronachs Truppe seine Plätze im Nationalrat behalten - und zwar erstmals legitimiert durch Wahlen. Denn bisher bestand der Team-Stronach-Klub lediglich aus Überläufern der anderen Klubs.

Insgesamt 25 Millionen Euro hat der 81-jährige Milliardär in den vergangenen Monaten in die Partei gebuttert. Und nicht nur dadurch zeigte er Präsenz. Durch seine Auftritte prägte er den insgesamt eher farblosen Wahlkampf, seine TV-Auftritte gelten manchen mittlerweile als legendär.

Und sie zeigten einen Mann, der es seit Jahrzehnten gewohnt war, die Richtung vorzugeben, und der ob seines wirtschaftlichen Erfolgs nur selten mit allzu kritischen Fragen konfrontiert war, getreu seinem Motto: "Wer das Gold macht, macht die Regel."

Er sei mit dem Ergebnis zwar zufrieden, sagte der Austrokanadier, dennoch hätte er sich das Ergebnis "etwas anders" erwartet. Bezüglich personeller Konsequenzen müsse man immer darüber nachdenken, ob jeder am richtigen Platz sitze. Und so ließ Stronach auch offen, ob der bisherige Klubchef Robert Lugar seinen Posten behalten wird. Der versuchte sich unterdessen im Zweckoptimismus: "Wir sind sehr glücklich", sagte Lugar, das Ergebnis sei ein "großer Erfolg".

ÖVP nach der Wahlniederlage in der Trotzphase

Trost für die ÖVP: Die SPÖ hat noch mehr verloren, die FPÖ wurde immerhin nicht Zweiter. Eine Fortsetzung der großen Koalition ohne Wenn und Aber werde es jetzt nicht geben, sagt Michael Spindelegger. Man könne nicht zur Tagesordnung übergehen. Gedrückte Stimmung, Durchhalteparolen. Die ÖVP-Funktionäre versuchten, einander Mut zuzusprechen. Immerhin kein Totalabsturz. Immerhin noch der zweite Platz. Auch wenn man sich da hinzittern musste: Es war knapp, die FPÖ auf Abstand zu halten. Aber es gelang. Was bleibt, ist dennoch ein kräftiges Minus: Die ÖVP verlor am Sonntag mehr als zwei Prozentpunkte und landete bei 24 Prozent - das historisch schlechteste Ergebnis. Einziger Trost: Auch die SPÖ fuhr ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein.

Der Anspruch von Michael Spindelegger, Kanzler dieser Republik sein zu wollen, klang am Sonntag ziemlich schal. Der Rücktritt stand im Raum. Spindelegger musste von seinen Leuten davon zurückgehalten werden, wurde getuschelt. Und es wurde gleich weiterspekuliert, wer sonst den Kopf hinhalten muss: Hannes Rauch, der Bundesgeschäftsführer der ÖVP und zuständig für diesen Wahlkampf, würde wohl als Erster seinen Hut nehmen.

Jetzt, da die Wahl geschlagen ist, äußerten auch die schwarzen Parteichefs aus den Bundesländern ihren Unmut über den aus ihrer Sicht verunglückten Wahlkampf. Zu wenig Elan, zu wenig Aufwand. Falsche Taktik.

Die Ergebnisse aus den Bundesländern waren zum Teil verheerend. Besonders in der Steiermark, wo schwarze und rote Bürgermeister wegen der drohenden Gemeindefusionen gegen die Parteispitzen rebellierten, setzte es schwere Verluste. Das war mit dem Aufstand der Bürgermeister erklärbar. Aber auch in anderen Ländern, in denen vordergründig kein Grund festgemacht werden konnte, musste die ÖVP Abstriche hinnehmen.

Michael Spindelegger war als Parteichef nicht unbedingt erste Wahl, er war im April 2011 für Josef Pröll eingesprungen, der krankheitsbedingt als ÖVP-Obmann und Vizekanzler zurücktreten musste. Spindelegger galt noch nie als sonderlich dynamischer Politiker. Ruhig, freundlich, höflich. Unverbindlich.

Mehr Kontur

In diesem Wahlkampf arbeitete ein ganzes Team daran, dem ÖVP-Spitzenkandidaten mehr Kontur zu verpassen. Spindelegger selbst bestand darauf, der höfliche, freundliche und seriöse Typus bleiben zu wollen - aber mehr Dynamik durfte es durchaus sein. Und das war auch eine Frage der Dosierung: Mancher Auftritt geriet dann gar zu laut, zu lebendig, zu bewegt. Spindeleggers neuer Sprachduktus war künstlich und ungewohnt. Seine Einlage im Puls-4-Studio, als er dort seine Kreise zog, während sich Werner Faymann irritiert am Rednerpult festhielt, war bemerkenswert.

Inhaltlich passierten gleich mehrere Schnitzer, an denen auch der Parteichef nicht ganz unschuldig war. Das Hü und Hott in der Frage des Frauenpensionsalters sorgte innerhalb und außerhalb der ÖVP für Turbulenzen. Die Debatte um den Wirtschaftsstandort schadete mehr, als sie nutzte. Der Streit um das Lehrerdienstrecht ließ die schwarzen Beamtengewerkschafter auf Distanz rücken. Spindelegger kämpfte parteiintern gegen Windmühlen.

Letztendlich versuchte die ÖVP, dieses historische Tief auf Bundesebene als Erfolg zu verkaufen: In den Umfragen vor der Wahl sei man zum Teil noch schlechter gelegen - von den Medien schlechtgeschrieben. Und die SPÖ habe mehr verloren.

Mit allen reden

Klar sei aber: "So kann es nicht weitergehen", sagte ein ÖVP-Chef Spindelegger am Sonntagabend. Das war insbesondere auch an die SPÖ gerichtet: Man könne nicht die Koalition fortsetzen und so tun, als wäre nichts geschehen. Es kann keine Fortsetzung der Koalition ohne Wenn und Aber geben. Spindelegger ließ sich von Faymann nicht bitten, er wolle erst einmal verhandeln, mit allen reden, betonte der ÖVP-Chef. Diktieren lasse sich die ÖVP sicher nichts, hieß es trotzig aus der Parteizentrale.

SPÖ: Großen Verlusten zum Trotz jubelt die SPÖ

Schwere Verluste für beide Regierungsparteien, dennoch wird es eine sichere Mandatsmehrheit für die Koalitionsparteien geben. In der SPÖ wird das historisch schlechteste Ergebnis bejubelt, da der Kanzleranspruch klar ist. Banges Warten in dem Zelt, das die SPÖ zwischen Burgtheater und Café Landtmann aufgebaut hat. Auf der Leinwand erscheint das Ergebnis der ersten ORF-Hochrechnung, es signalisiert einen Verlust von drei Prozentpunkten. Aber im Zelt wird applaudiert, durch schlechte Daten will man sich nicht die Stimmung verderben lassen.

Und die Stimmung ist gut, gut für diejenigen, die davon ausgehen können, dass niemand außer Werner Faymann den Kanzleranspruch stellen kann. Stellvertretend für seinen Chef tut das Norbert Darabos, der Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter, der mit einer klaren Kampagne die Themen der SPÖ prägnant vorgegeben hatte und erst im letzten Moment um die Botschaft erweitert hat, man wolle "gemeinsam" regieren.

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas ortet die Ursachen der Stimmenverluste ihrer Partei im allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld, das nicht besonders kanzlerfreundlich sei.

Dazu verweist ihr Kollege Darabos auf den europäischen Trend: In den vergangenen Krisenjahren sind 20 von 27 europäischen Regierungen abgewählt worden.

Faymann selbst sieht es auch als "nicht selbstverständlich", dass er den ersten Platz wieder hat, er lässt sich im SPÖ-Zelt bejubeln, ehe er auch im Fernsehen versichert, dass ihm daran gelegen ist, so weiterzumachen wie bisher. Ohne die FPÖ, die am Wahlabend mehrfach fordert, die SPÖ möge ihre Ausgrenzungspolitik aufgeben und mit ihr verhandeln.

Die Sozialdemokraten halten nichts davon. Rechnerisch ginge sich zwar eine Koalition von SPÖ (53 Mandate) und FPÖ (42 Mandate) aus - aber die Zweierkoalition, die am Wahlabend von Bundespräsident Heinz Fischer als wünschenswert bezeichnet wurde, ist eindeutig eine aus SPÖ und ÖVP.

Während es am Nachmittag noch Sorgen der SPÖ gegeben hatte, dass sich eine Koalition mit der ÖVP nicht ausgehen würde, so war am Abend klar, dass es (wohl konstruktive) Gespräche mit dem bisherigen Partner geben wird. Man werde in der kommenden Legislaturperiode den Schwung mitnehmen und zeigen, dass Österreich ein "Vorbild an sozialer Gerechtigkeit" sei, sagte der Bundeskanzler. Dass das Wahlziel - 30 Prozent - nicht erreicht worden ist, kommentiert Darabos mit dem Hinweis auf die Vielzahl der angetretenen Parteien.

Auch wenn das BZÖ zur Bedeutungslosigkeit abgesunken ist, haben sich mit dem Team Stronach und den Neos zwei neue Gruppen im Parlament etabliert. In Vorarlberg (wo Neos-Spitzenkandidat Matthias Strolz herkommt) sind die Neos mit landesweit 13,15 Prozent inzwischen fast gleich stark wie die SPÖ mit 13,47.

Schwarz-Blau verhindert

Die ÖVP hat in ganz Österreich ebenfalls schwere Verluste hinnehmen müssen - der Abstand zur SPÖ hat sich kaum verändert - von einem Kanzlerwechsel, den sich die ÖVP gewünscht hatte, ist nicht einmal die Spur einer Hoffnung geblieben.

Dafür ist der ÖVP die FPÖ wieder sehr nahe gekommen - das Wahlziel der SPÖ, Schwarz-Blau zu verhindern, ist allerdings erreicht, dafür reichen die Mandate nicht aus.

Als im ORF bekanntgegeben wird, dass die SPÖ wahrscheinlich ein Mandat weniger verliert als die ÖVP, gibt es wieder Jubel im SPÖ-Zelt, in dem die Fernsehberichterstattung genau verfolgt wird. Auch dieses Detail: Nach Berechnungen des Wahlforschers Peter Filzmaier für den ORF hat sich diesmal gezeigt, dass die bisherigen Regierungsparteien sich vor allem auf ältere Wähler stützen können - bei den Jungwählern sind FPÖ und Grüne inzwischen gleich stark. (DER STANDARD, 30.9.2013)