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Ein Hobbyfischer in Spanien. Die Fischbestände sind gefährdet.

Foto: AP/Alvaro Barrientos

Sie kommen meist sonntags, ausgestattet mit Netzen und Kübeln. Und es werden immer mehr, je länger die Wirtschaftskrise anhält: Menschen, die bei Ebbe Meeresfrüchte an Spaniens Küsten sammeln, oder mit Harpune, Angel und Netzen ihren Menüplan um den einen oder anderen Fisch oder Oktopus erweitern. Allein im ersten Halbjahr 2013 summierten sich die Anzeigen wegen illegalen Fischfangs und Marisqueo, zu Deutsch Muschelsammeln, in der südspanischen Region Andalusien auf 263. Zum Vergleich: 2012 wurden im gesamten Jahr nur 205 Personen mit Geldbußen bestraft, 2011 waren es 105.

Illegal Fische zu fangen ist kein Kavaliersdelikt. Wer seine Angel ohne Lizenz auswirft oder mit Flossen und Taucherbrille Jagd auf geschützte Tintenfische macht, dem drohen Strafen zwischen 301 Euro und 60.000 Euro. So sieht es das regionale Fischereigesetz Andalusiens vor. An einem einzigen Wochenende Ende Juni wurden bei Huelva 161 Personen angezeigt. Sie hatten knapp eine Tonne Muscheln gesammelt. Kontrolliert wird nicht nur an den Stränden und in den Fischauktionshallen, sondern auch in Restaurants. "Die Krise und Massenarbeitslosigkeit haben diese illegalen Aktivitäten deutlich ansteigen lassen", sagte Javier Guerra, Oberst bei der für Umweltdelikte verantwortlichen Guardia-Civil-Einheit Seprona, der Zeitung "El País".

Salmonellen und Toxine

Durch diese Aktivitäten wird nicht nur die Erholung des Bestandes vieler Arten gefährdet, die illegalen Fischer gehen mangels Kontrollen auch gesundheitliche Risiken ein. So finden sich in Weichtieren unter anderem Salmonellen, E.-coli-Bakterien oder Toxine wie die Okadasäure - verantwortlich für Muschelvergiftungen der sogenannten Diarrhöischen Form (DSP). Wobei bei Letzterer nicht einmal das Kochen des Gesammelten Abhilfe schafft.

Neben Einheimischen sammeln auch Touristen vor allem um Huelva zweischalige Muscheln. Sie finden sich im sandigen Boden in Küstennähe und sind somit bei Niedrigwasser eine leichte Beute. Darunter leiden auch die lokalen Fischer, die weniger in ihre Netze bekommen und gegenüber der illegalen Konkurrenz Abnehmer verlieren. Zudem müssen sie Preiseinbußen hinnehmen.

Toxinbelastete Muscheln

"Während sie uns verbieten, bei Toxinbelastung die Muscheln einzuholen, sammeln Touristen davon tonnenweise, und das täglich", klagt der Präsident des Fischereiverbands von Ayamonte an der Grenze zu Portugal, Juan Grao. Ob diese vergiftet sind, prüfe freilich keiner, bestraft würden die Muscheldiebe nur selten.

"Einzig eiserne Kontrollen können Lebensmittelsicherheit bei Muscheln gewährleisten", sagt José Luis Gurucelain von der andalusischen Gesundheitsbehörde. "Von der Muschelbank bis auf den Teller muss ihr Weg lückenlos nachvollziehbar sein."

Besonders betroffen von Fangfahrten illegaler Fischereiflotten ist das Unesco-Biosphärenreservat des Nationalpark Doñana sowie das Mündungsdelta des südspanischen Guadalquivir-Flusses. Denn die Küsten um Sanlúcar de Barrameda sind unter Iberiens Gourmets für die wohl besten Sardinen, Garnelen und Muscheln des Landes bekannt. Das bewegte die Meeresschutzorganisation Oceana bereits 2011 zur Anzeige bei jener UN-Sonderorganisation - gekoppelt an die Grundwasserentnahme für die Erdbeerenzucht und ein Gaspipelineprojekt.

Goldgrube für Piratenfangflotten

Verglichen mit dem, was die "kleinen Fische" sammeln und angeln, ist der Weltmarkt eine regelrechte Goldgrube für Piratenfangflotten. Interpol beziffert den ökonomischen Schaden durch illegale Fischerei weltweit mit rund 17,6 Mrd. Euro jährlich. Das sind knapp 20 Prozent der weltweiten Fänge. Darin ist der ökologische Schaden freilich nicht inkludiert.

Spaniens Fischerei-Staatssekretär Carlos Domínguez hat zuletzt in Brüssel Alarm geschlagen, Die Fanggründe der iberischen Flotten würden vor der westafrikanischen Küste bei Ghana durch den lokalen, gesetzwidrigen Fang unrentabel. Ein Importstopp für Fisch aus der Region müsse her. (Jan Marot aus Huelva, DER STANDARD, 21.9.2013)