Die Greenpeace-Aktivisten, die in der russischen Arktis eine Ölplattform stürmten und wegen "bandenmäßiger Piraterie" in U-Haft kamen, seien keine Piraten, erklärte Vladimir Putin gnädig. Aber die Sicherheitskräfte hätten nicht wissen können, ob es nicht Terroristen wie in Nairobi gewesen seien.

Nun wird sich zeigen, ob die Greenpeace-Leute abgeschoben werden oder nach einem Urteil in eines von Putins Straflagern kommen. In Putins Russland existiert nach wie vor eine Art "Gulag". Die Zustände in den Lagern sind nicht so fürchterliche Todesmaschinen wie in Zeiten der Sowjetunion. Aber sie sind schlimm genug. Daran werden wir erinnert durch einen Brief der inhaftierten Pussy-Riot-Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa, die zwei Jahre wegen Putin- und Religionsbeleidigung in einer Moskauer Kathedrale bekam. Die Arbeitszeit (Nähen von Polizeiuniformen) betrage 17 Stunden, man bekomme höchstens vier Stunden Schlaf. Die hygienischen Verhältnisse seien katastrophal und das System diabolisch: Das Quälen, manchmal Töten erledigen nicht die Wärter(innen), sondern die Kapos unter den Mitgefangenen. Das Ziel sei, sich wie ein "schmutziges Stück Vieh" zu fühlen. Nach dem Brief kam Tolokonnikowa, die einen Hungerstreik ankündigte, an "einen sicheren Ort" (= Isolationshaft).

Fortschritt in Russland: von Solschenizyns "Archipel Gulag" zu Putins "Gulag light". (Hans Rauscher, DER STANDARD, 27.9.2013)