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Wer in einem Zug Stunden wegen Murenabgangs festsitzt, hat auch Anspruch auf Entschädigung.

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Wien - Es bedarf nicht unbedingt einer vereisten Oberleitung oder eines Jahrhunderthochwassers: Eine defekte Lok genügt für eine ordentliche Verspätung. Bis der Fahrgast zu einer Entschädigung kommt, können Monate vergehen.

Bei Fahrgast Maria W. dauerte es fast ein halbes Jahr, bis - dem Amtsweg folgend - die von der ÖBB Personenverkehr AG zugestandene Entschädigung auf ihrem Konto landete. Die Reise der Rechtsanwältin aus Wien begann am späten Nachmittag des 25. Dezember 2012 am Wiener Westbahnhof. Da bestieg die Dame mit ihrer kleinen Tochter um 16.56 Uhr einen Zug Richtung Oberösterreich. Der kam wegen einer schadhaften Lok allerdings nicht plangemäß nach St. Valentin, sondern um 40 Minuten verspätet, wo der Anschlusszug nach Ternberg im Bezirk Steyr natürlich nicht gewartet hat. Statt um 19 Uhr waren die beiden schlussendlich erst um 21.30 Uhr in Ternberg.

Nach Weihnachten wieder in ihrer Kanzlei, war der Ärger über die pannenreiche Winterfahrt noch nicht verflogen. Frau W. entschloss sich, doch zu versuchen, eine Entschädigungszahlung zu erwirken. Sie schickte ein E-Mail an die auf der Homepage veröffentlichte Service-Adresse des ÖBB-Personenverkehrs. Da das Schreiben unbeantwortet blieb, setzte sie am 15. Jänner mit einem weiteren formlosen Schreiben nach und urgierte schriftliche Auskunft über die Verspätungen.

Der Hintergrund: Zugverspätungen muss sich ein Fahrgast grundsätzlich am Ankunftsbahnhof bestätigen lassen. Da der Dorfbahnhof in Ternberg personell nicht mehr besetzt ist, sind die Verspätungsmeldungen schriftlich zu beantragen und beizubringen. Entsprechende Antragsformulare sind von der ÖBB-Homepage herunterzuladen.

Eben das teilte die der Abteilung ÖBB-Kundenservice der inzwischen schon verärgerten Kundin tags darauf mit, fügte die Verspätungsbestätigung für Zug OIC 646 mit und verwies betreffend "Antrag auf Entschädigung und Refundierung bei Zugverspätungen" auf die Homepage oder eine Personenkasse. Das ausgefüllte Formular samt Originalfahrkarten und diversen Bescheinigungen sei an den ÖBB-Personenverkehr im zweiten Wiener Gemeindebezirk zu schicken.

Nicht bestätigt wurde in den diversen, von unterschiedlichen Sachbearbeitern verfassten Poststücken der ÖBB, dass Frau W. den Anschlusszug R3629 in St. Valentin verpasst hatte, auf den nächsten warten musste und sich die Reisezeit sohin insgesamt auf 124 Minuten verlängerte. Diese Bestätigung erfolgte am 30. Jänner, womit der Antragstellung nichts mehr im Wege stand.

Dachte die Anwältin - bis am 28. März in ihrer Kanzlei erneut ein elektronischer Brief der ÖBB einlangte, in dem wieder die Originaldokumente urgiert wurden. Dieser Aufforderung kam die Kanzlei am 5. April erneut nach.

Knapp vier Wochen später die Jubelmeldung aus der Abteilung Fahrgastrechte, "dass Ihr Antrag positiv erledigt wurde" - und zwecks finaler Bearbeitung an die Buchhaltung weiter geleitet worden sei. Am 7. Mai die erlösende Mitteilung vom ÖBB-Rechnungswesen: Frau W. bekommt hochoffiziell 9,90 Euro Entschädigung zugesprochen. Am 10. Mai teilt das ÖBB-Kundenservice ("Kundenfeedback") das Gleiche noch einmal mit, ehe am 16. Mai das Geld per Postanweisung einlangt.

Das Ticket nach Ternberg kostete übrigens 17,20 Euro. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 27.9.2013)