Lollo (re.) schreibt die Lieder, Christoph lernt die Texte "dann auswendig". So humorvoll die Lieder auch sind, Politik sei kein Spiel, finden sie. Deswegen ist ihnen wählen zu gehen auch sehr wichtig.

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STANDARD: Mit euren Wahlkampfhymnen habt ihr die heimlichen Nationalratswahllieder geschrieben. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Christoph: Wir machen für Puls 4 einmal im Monat eine musikalische Monatszusammenfassung - und da hatten wir die Idee, zu wichtigen Ereignissen zusätzliche Lieder zu machen. In dem Fall eben zu den Nationalratswahlen.

Lollo: Wir haben uns gedacht, dass solche Parteihymnen lustig werden könnten. Der Nationalratswahlkampf beschäftigt jeden, man kommt an ihm nicht vorbei, und da ist es doch nett, wenn es auch etwas Lustiges dazugibt.

Wahlkampfhymne SPÖ - Christoph & Lolloentfernen

Die Wahlkampfhymne der SPÖ: "Wir marschieren durch Institutionen und dürfen dafür in Penthäusern wohnen."

STANDARD: Wie habt ihr Stoff für die Lieder gesammelt?

Lollo: Es hat früher ja die Tradition der Parteilieder gegeben, vor ein paar Jahren hat etwa Peter Westenthaler ein Lied aufgenommen.

Christoph: Wir holten zsam!

Lollo: Es gibt aus den 60er-Jahren auch eines von der ÖVP, wo sie meinen, jeder, der nicht ÖVP wählt, ist Kommunist. Da war also klar, dass humoristisches Potenzial dahintersteckt. Die Idee war, es in Wir-Form zu machen, also nicht über die Parteien in der dritten Person zu singen, sondern als satirische Selbstdarstellung. Und Recherche gab es durch Tageszeitungen, Facebook-Meldungen, Nachrichten, Wikipedia-Artikel.

Wahlkampfhymne der ÖVP: "Unser Herr ist die Raiffeisenbank."

STANDARD: Wie lange arbeitet ihr an einem Lied?

Christoph: Wir haben ja schon etwas Übung darin, wegen der Monatslieder. Aber im Grunde macht das alles er. Ich lerne die Texte dann nur auswendig.

Lollo: Das ist auch kein lustiger Job, glaube ich. (lacht) Ich überlege mir vorher, wie man das Lied angehen könnte, zum Beispiel war bei der FPÖ klar, dass es etwas Zackiges sein wird, und bei der SPÖ war klar, dass es nach Arbeiterlied klingen muss. Die Sozialdemokraten haben ja eine Liederkultur, die gibt es bei den anderen Parteien nicht. Dann entscheide ich, was inhaltlich enthalten sein muss und was lustig sein könnte, und dann zittere ich, dass der Spitzenkandidat nicht, zwei Tage bevor wir das Lied aufführen, stirbt.

STANDARD: Haben Sie Mitspracherecht?

Christoph: Ich weiß nicht, das hab ich noch nie ausprobiert (lacht).

Lollo: Ich frag schon hin und wieder nach Feedback. Dadurch, dass es so schnell geht, können auch Fehler passieren. Die Lieder werden so in zwei Tagen geschrieben, und dann haben wir noch ein bis zwei Tage, um zu üben.

Christoph: Aber während du das Lied schreibst, mische ich mich nicht ein.

Lollo: Hat das juristische Gründe, dass du jede Verantwortung von dir weist?

Christoph: Ich glaube, nachdem ich die Lieder dann ja auch singe, schwimme ich ohnehin in derselben Suppe wie du.

Wahlkampfhymne FPÖ - Christoph & Lolloentfernen

Wahlkampfhymne der FPÖ: "Wir wurden oft verurteilt weil wir hetzten oder logen."

STANDARD: Habt ihr euch schwerer getan, über die Grünen als über die FPÖ zu schreiben?

Lollo: Das waren die beiden schwierigsten!

Christoph: Bei den Grünen war es schwierig, etwas zu finden, wo man gemein sein kann. Die hatten noch nicht so viel Gelegenheit, sich in negativer Hinsicht auszutoben - so wie etwa die FPÖ. Und sie sind auch nicht so böse, deswegen war es schwieriger.

Lollo: Ja, bei den Grünen gibt es keine Skandale außer dem Bus, der durch die Fußgängerzone fährt, oder ein zehn Jahre altes Foto, wo zu sehen ist, wie ein Grüner bei einer Demonstration mit einem Polizisten redet. Das sind die zwei größten Skandale. Das ist langweilig und gibt nichts her. Bei der FPÖ war es hingegen nicht einfach, weil das Angebot an Skandalen so groß ist und man nicht weiß, was man sich da aussuchen soll.

STANDARD: Welches Lied war am einfachsten zu schreiben?

Lollo: Stronach und die ÖVP. Stronach, weil er skurril ist. Das Team ist eine Truppe, die nicht aus den Allerfähigsten besteht, aber es gibt halt einen Typen, der zahlt, und deswegen tun die anderen, was er sagt. Das ist deren einziger Inhalt.

Lollo: Und die ÖVP war einfach, weil sie seit langer Zeit die mächtigste Partei ist, in unzählige Skandale verwickelt und in mehrerlei Hinsicht lächerlich. Und sie haben einen Spitzenkandidaten, dem niemand auch nur ein Spielzeugauto abkaufen würde.

STANDARD: Was ist euch wichtiger, der Text oder die Melodie?

Christoph: Mir ist die Melodie wichtiger. Das habe ich gerade wieder festgestellt, weil mir das SPÖ-Lied am liebsten ist, im Vergleich zum ÖVP-Lied, das eigentlich den schärferen Text hat. Aber die Melodie vom SPÖ-Lied geht einfach mehr zu Herzen.

Lollo: Mir ist wichtig, dass alles zusammenpasst. Das ÖVP-Lied ist eine fröhliche Hymne, deswegen ist es lustig, wenn da die Skandale dazu aufgezählt werden. Das SPÖ-Lied musste in Moll sein und ein Marsch, weil es ein Arbeiterlied ist. Dazu passt besser, dass man über deren Versagen singt und nicht über deren Bösartigkeit.

Wahlkampfhymne der Grünen: "Wir wollen auch einmal mitregieren."

STANDARD: Die bisherigen Videos kriegen 50.000 und 100.000 Aufrufe, was glaubt ihr, woran das liegt?

Christoph: Ich war vorgestern essen, und an den Nebentischen haben die Leute politisiert, sogar über die Neos ist gesprochen worden. Politische Satire hat es schon immer gegeben. Bevor die Nazis alle umgebracht haben, hat es sogar welche gegeben, die sich über die lustig gemacht haben.

Lollo: Es gibt Humor, der auf "Dicke Frauen sind hässlich" und "Ich lasse einen Schas" basiert und trotzdem erfolgreich ist. Aber es gibt auch viele Leute, die lieber über etwas lachen, was Relevanz hat. Ich persönlich hungere nach Witzen über Sachen, die passieren. Es passiert mir zum Beispiel, dass ich im Online-Standard einen Artikel lese und mir denke: Dazu fällt sicher jemandem etwas Lustiges ein. Dann lese ich die Kommentare, und da sind oft Sachen, die mich zum Lachen bringen.

STANDARD: Also ihr seid Fans des STANDARD-Forums?

Lollo: So würde ich das nicht ausdrücken. (lacht) Aber ich bin ein Fan der Humorkultur, die im Internet herrscht.

STANDARD: Geht ihr wählen?

Christoph: Selbstverständlich gehe ich wählen, ich bin sogar Stammwähler. Ich glaube, dass viele Nichtwähler glauben, die Politik sei nur ein Spiel, zumal die Politiker oft den Eindruck erwecken, es wäre so. Aber die Politik ist kein Spiel, sie betrifft jeden in der einen oder anderen Weise, deshalb sollte man da mitmachen.

Lollo: Ich gehe immer wählen. Erstens rede ich gern mit, und zweitens schätze ich Wahlen auch als soziales Ereignis. Das geringste Übel wählen zu müssen ist für mich kein Problem. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 27.9.2013)