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James Hunt und Niki Lauda vor dem Start des Grand Prix in Japan am 24. Oktober 1976.

Foto: ap/nick ut, file

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Das Duell

Im Film "Rush" geht es um das Duell zwischen James Hunt (Chris Hemsworth) und Niki Lauda (Daniel Brühl).
Foto: AP/Universal Pictures, Jaap Buitendijk

Der Film wurde in England und Deutschland, u. a. auch am Nürburgring, gedreht, wo Niki Lauda am 1. August 1976 schwer verunglückt, aber schon bald wieder in seinem Ferrari sitzt. Er versäumt nur zwei Rennen.Der Film läuft am 3. Oktober in den heimischen Kinos an. www.rushmovie.com

Foto: Universal Pictures, Jaap Buitendijk

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Foto: Vitra/Bettina Matthiesen

Niki ist beim Einbraten eines Hasen, so hat man das in den Heydays der inkorrekten Sprache genannt. Es ist rund ums Wochenende des Monza-Grand-Prix. Die Lady ist offensichtlich frisch aus dem Weltall gekommen und hat keine Ahnung von Racing, der junge Mann hat eben erst angefragt, ob er ihr mit dem Auto die wunderbare lombardische Landschaft zeigen darf.

Niki pfeift damals noch durch zwei ausgeprägte Schneidezähne und ist nicht gerade der Prototyp des Womanizers. Die Lady indes, würde man 1975 meinen, ist eine scharfe Braut, wenn auch von der sehr, sehr gediegenen Art. Man hätte damals trotz der Jugend der Dame gesagt: Gnä' Frau, aber hallo!

Niki, Sohn aus gutem Hause, gibt sein Bestes, fährt in einem quasi Familien-Alfa besonders behutsam, bringt sein reizendes Wesen zur Geltung, so gut es halt geht.

Volle Wäsch'

Da steht ein Autostopper, ein junger Kerl. Niki nimmt ihn mit, aber der Junge hat ihn sofort erkannt und kann sich überhaupt nicht einkriegen: Der Traum seines Lebens, mit Niki Lauda im Auto! Ein Wahnsinn!!!, nicht zu fassen, aber er kapiert nicht, warum der Ferrari-Champ so fad dahinschlendert, "porca miseria", kann ja nicht sein. Wasisslos, Niiiiki! Also gibt Niki ein bissl Gas, wilde Befeuerung von der Rückbank, italienische Urlaute, mach mir den Campione, Niki!

Die schöne Frau ist, sagen wir, befremdet, kennt sich nicht aus, wird aber in den Rausch der Straße gezogen, da geht jetzt alles voll, entgegenkommende Autos können nur noch hupend aufstöhnen, volle Wäsch' durch ein Kurvengeschlängel, die verschreckte Dame gewinnt langsam Contenance, wird lebendig, spürt die Vibrationen des Doppelnockenmotors, verzückt sich rauf und runter und kapiert am Ende: dass der am Volant ein ganz Besonderer ist. Kinematografisch ist die Ehe-Anbahnung zwischen dem jungen Champion und einem ahnungslosen Fräulein kaum besser darzustellen, Chapeau dem Drehbuchautor Peter Morgan!

Du bist doch der Tennisspieler, gell?

Die Wahrheit war allerdings auch nicht schlecht. Marlene war tatsächlich aus dem Weltall gefallen, als sehr junge Freundin Curd Jürgens' frisch aus Süd- und Nordamerika gekommen und null vertraut mit hiesigen Umständen. Als Gastgeberin einer Party in Salzburg sah sie den Niki da hocken, irgendwann hatte sie das Gesicht schon gesehen und sagte: Du bist doch der Tennisspieler, gell?

Salzburg war damals noch enger als jetzt. Man musste sehr vorsichtig sein. Ich wurde erstmals eingebunden, als Niki mir von der Souveränität seiner Verlobten, der späteren Kunsthistorikerin, erzählte. Niki hatte vor dem Heimkommen die duftenden Spuren seines Treffens mit der neuen Dame zu vernebeln versucht, so geschickt er halt konnte.

Mariella Reininghaus in ihrer sanften Noblesse sagte: "Erwartest du eine Mückeninvasion, Niki?"

Das, ungefähr, war der Anfang vom Ende der Verlobung. Niki heiratete bald darauf die Synthese aus Monza-Hollywood und Salzburg-Party: Marlene. Auch ihre Darstellerin macht im Film sehr gute Figur.

Olivetti statt Laptop

"Rush" ist großes Kino der Grand-Prix-Saison 1976 (der Verleih: "... sexy and glamorous golden age of Formula 1 racing"). Grundsätzlich war's ein Durchmarsch von Lauda auf Ferrari, aber durch den Feuerunfall am Nürburgring wurde es am Ende knapp, und es ergab sich tatsächlich ein Showdown zwischen zwei recht gegensätzlichen Typen. Guter Stoff, muss man ja ehrlich sagen. Dass sich Lauda und James Hunt menschlich erstaunlich gut vertragen haben, kommt auch im Film sympathisch rüber. Für Hollywood-Maßstäbe ist da schon viel Wärme und Liebe spürbar (auch durch die Arbeit von Regisseur Ron Howard).

Wie hat sich die Saison 1976 für unsereins dargestellt? Wir hatten halt eine rote Olivetti statt eines Laptops, und wie wir auf Reisen telefoniert haben, weiß ich gar nicht mehr recht. Man musste wohl Münzen haben, Lire, Pennys, D-Mark, und in der Landschaft gab es hin und wieder ein Telefonhüttl. Vor allem in England war das richtig schön. Die Freiheit an den Strecken und Fahrerlagern taucht wie ein romantisches Märchen aus der Erinnerung. Es hat noch richtig fein gestunken, nach süßlich-verbranntem Öl und geschmortem Gummi, wie es sich gehört.

Die First Ladies der F1

Groupies waren noch Groupies, nicht höhere Töchter, und wenn sich eine einbildete, einen Rennfahrer ins Bett kriegen zu wollen, gab es kein großes Theater. Hunt war in dieser Hinsicht nicht sehr schwer zu kriegen. Überhaupt plätscherten das Leben und dessen Wahrnehmung entspannter als heute, obwohl keiner noch cool sagte. Cool galt eigentlich nur für Mentholzigaretten, die man noch überall, und zwar überall, rauchen durfte. Höchstens an der Boxenmauer gab es vielleicht einmal einen freundlichen Wink, geh doch einen Meter zurück.

Marlene war ein anbetungswürdiger Kumpel, und Suzy Hunt auf der anderen Seite war so exotisch, dass wir eher auf die Yellow Press angewiesen waren. Dass dieser fesche blonde Mann in den zerfetzten Jeans (damals war das kein Modegag, sondern es waren wirklich zerrissene Hosen) eine absolute Göttin zur Ehefrau bekam, war natürlich gut für den Sport. Suzy war nicht bloß ein schönes Model, sondern hatte auch diese rosenhafte Anmut. Man traute ihr einfach alles zu: von Hollywood bis blaues Blut. (Kann im Film nicht ganz so rüberkommen, aber alleweil.)

Willi Wunderwuzzi

Zum besseren Verständnis sollte man erklären, dass Richard Burton, der - eh! - mit Elizabeth Taylor verheiratet war, Suzy beim Skifahren in Gstaad sah und sie von derselben Sekunde an haben musste. Suzy, dieser Engel, war mit James' Lebensgewohnheiten (Trinken, Rauchen und ein paar Unordentlichkeiten) nicht mehr ganz so happy und wurde tatsächlich Mrs. Burton. Inwiefern das eine Verbesserung in Bezug auf Gewohnheiten bedeuten konnte, gehört zu den zauberhaften Geheimnissen der Liebe.

Aus eigener Sicht, wie ich den Lauda von 1976 erlebte, musste der Film auf zwei wesentliche Aspekte verzichten. Erstens die eminente Rolle, die Willi Dungl bei der, sagen wir ruhig: "Wiederauferstehung" des feuermäßig angeknabberten Champs spielte. Der Willi, als Typ und als Wunderwuzzi, hätte tolle Facetten fürs Kino geliefert.

Zweitens der Mix aus mieser Haltung und Kasperlhaftigkeit, den gerade ein Mythos-Team wie Ferrari angesichts des Unfalls produzierte. Rennleiter Daniele Audetto rief mich fünf Tage nach dem Unfall an und sagte, man müsse eine Absage des GP Österreich in Zeltweg erreichen, damit niemand (also vor allem nicht Hunt) dem wehrlosen Titelverteidiger WM-Punkte wegnehmen könne. Als Chefredakteur der Autorevue würde man mir in dieser nationalen Frage wohl Gehör schenken, quasi Ärrbert, you must cancel Grand Prix Austria.

Echt gutes Kino

Enzo Ferrari himself war ohne Mitleid und voller Intrige, er bot ein trauriges Schauspiel. Nur der Vollständigkeit halber: Lauda wurde im Jahr drauf zum zweiten Mal Weltmeister auf Ferrari und hat dann in Maranello den Krempel richtig hingeschmissen, der alte Herr hat gejault: Du Jude, verkaufst dich für hundert Stangen Salami!

Was das letzte Rennen 1976, also den entscheidenden Showdown in Japan, betrifft: echt gutes Kino. Hollywood wollte aber nicht drauf verzichten, die Liebe zu seiner Frau als Motiv für Nikis Rückzug aus dem Rennen darzustellen. So ein Schmarrn, sagt Lauda, aber insgesamt ist er mit dem Film richtig happy. Es wird ja schon über eine Oscar-Nominierung getratscht. Nur mit der Ruhe. Erst einmal läuft der Film an. (Herbert Völker, Rondo, DER STANDARD, 27.9.2013)