Initiativen wie "End Revenge Porn" fordern Gesetze, um dem Problem der Rachepornos beizukommen.

Foto: End Revenge Porn

Die 23-jährige Texanerin Marianna Taschinger war einem muskulösen Mann mit "irgendwie nerdigem Charme" verfallen. Die Beziehung erlebte ihre Höhen und Tiefen, am Ende aber wurden Hochzeitsringe ausgesucht.

Auch Nacktfotos wollte ihr Freund von Taschinger machen und knüpfte das an die Vertrauensfrage. Wer dafür nicht genug Vertrauen aufbringen könne, könne auch nicht wirklich verliebt sein, so das Argument. Und Taschinger entblößte sich letztlich vor ihrer Kamera und schickte ihm die Bilder.

Späte Rache?

Die Beziehung verlief letztlich im Sand. Mehr als ein Jahr nach der Trennung tauchte ein Dutzend der privaten Nacktbilder auf einer Website auf, die sich auf sogenannte Rachepornos spezialisiert. Darunter versteht man das Bloßstellen eines ehemaligen Partners durch das Veröffentlichen von intimen Fotos und Videos, oft garniert mit persönlichen Daten des betreffenden Menschen. Taschinger hat nun ihren Ex-Freund geklagt, der mit der Veröffentlichung aber nichts am Hut haben will.

Sie und viele andere Opfer gehen nun gehen die Betreiber solcher Webseiten vor und machen sich für eine Gesetzesänderung stark, um dieses Treiben zu unterbinden. Die "New York Times" berichtet ausführlich.

Fatale Folgen

Die Konsequenzen von Rachepornos können für die Betroffenen verheerend sein. Sie berichten von Jobverlust, das Schwinden von einst guten Beziehungen zu Freunden und Familien oder Konfrontationen mit fremden Leuten beim Einkaufen. Manche der Opfer haben ihre Namen oder ihr Aussehen geändert, um nicht mehr mit den Aufnahmen im Netz assoziiert werden zu können.

Aber selbst das ist kein Garant für Ruhe. Die in Florida wohnende Holly Jacobs, die ihren Namen geändert hatte, um sich der Entblößung zu entziehen, fand kurz darauf ihren neuen Namen und einen Link zu ihrem aktuellen Facebook-Profil unter den Bildern im Web.

Doch die Verfolgung der Seiteninhaber gestaltet sich mitunter schwierig. Wer sich an die Polizei wendet, bekommt oft zu hören, dass nicht viel getan werden kann. Vereinzelt gab es Geldstrafen gegen jene, die das private Bildmaterial hochgeladen hatten, ab und an wurde auch eine Seite dichtgemacht. Sind die Fotos aber einmal online, lässt sich der Schaden kaum noch begrenzen, weil sie oft auf unzähligen anderen Websites geteilt werden. Besonders problematisch wird es dann, wenn die abgelichteten Personen noch nicht volljährig sind.

Kaum rechtliche Handhabe

Das Problem liegt in der Natur der Seiten. Zwar fordern diese zum Upload von einschlägigem Material auf, sie trifft gemäß den US-Bundesgesetzen für die von Dritten gepostete Inhalte nur selten Verantwortung. New Jersey hat ein Gesetz, das in solchen Fällen greift und strafrechtliche Verfolgung ermöglicht, wenngleich es aus anderem Anlass eingeführt wurde, so die New York Times weiter.

In Kalifornien fehlt zur Einführung nur noch die Unterschrift des Gouverneurs, der Entwurf schaffte es aber nur in sehr verwässerter Form durch Sacramento. In Florida lehnten die Abgeordneten den Vorschlag zu einem "Revenge Porn"-Gesetz ab. Hier ist die Voraussetzung für eine Verfolgung, dass die veröffentlichten Bilder mit der Absicht, schweren Schaden anzurichten, gepostet wurden und die Aufnahmen nicht von der betroffenen Person selbst angefertigt wurden.

Auffassungsunterschiede

Unter Juristen gibt es auch Opposition gegen derlei Gesetzgebung, da sie durch zu strenge Regeln eine Beschädigung des First Amendmends der US-Verfassung (welches unter anderem die Meinungs- und Pressefreiheit verankert) fürchten. So sagt etwa Marc Randazza, der Opfer von "You Got Posted" vertritt, dass ihm zivilrechtliche Handhabe lieber wäre. "Benötigen wir wirklich ein Gesetz, um noch mehr Menschen in US-Gefängnisse zu stecken?", fragt er.

Rechtsexperte Eric Goldman von der Santa Clara University ist gegenüber der New York Times der Auffassung, dass jeder Bundesstaat, der selbst ein Gesetz erlässt, sich in Gefahr bringt, gegen den ersten Verfassungszusatz zu verstoßen. Ein auf diesen spezialisierter Jurist der University of California, Eugene Volokh, teilt diese Bedenken wiederum nicht

Der Fall Hunter Moore

Prominent aufs Tapet kam das Thema vor zwei Jahren durch Hunter Moore. Er hatte mit isanyoneup.com eine Racheporno-Plattform ins Leben gerufen und sein Vorgehen in Interviews verteidigt. Auf die Frage, ob er keine Bedenken hätte, vom Leid anderer zu profitieren, meinte er lapidar: "Warum sollte ich? Ich kann den ganzen Tag nackte Frauen ansehen."

Damit löste er großen Protest aus und machte sich unter anderem zum Ziel des Hacker-Kollektivs Anonymous, welches die Operation "Hunt Hunter" ausrief. 2012 machte Moore, dessen Fall mittlerweile vom FBI untersucht wird, die Seite schließlich dicht. Er soll pro Monat 10.000 Dollar über Werbung eingenommen haben.

Immer mehr Betroffene schließen sich zu Sammelklagen zusammen, Initiativen wie "End Revenge Porn" verlangen nach Gesetzesänderungen. Auch Charlotte Laws kämpft für stärkere, gesetzliche Handhabe. Ihre 26-jährige Tochter musste eines Tages ebenfalls private Nacktbilder auf einer Racheporno-Seite finden. "Was wir wirklich benötigen, ist ein Bundesgesetz", so Laws.

Gesellschaftsfrage

Die Diskussion ist aber nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine gesellschaftliche. Mary Anne Franks von der University of Miami hat einen Entwurf für ein Gesetz ausgearbeitet. Sie erklärt, dass Gegner eines solchen Gesetzes oft die Schuld für solche Vorfälle beim Opfer sehen. "In dem Moment, in dem herauskommt, dass die Frau die Bilder ihrem Freund freiwillig gegeben hat, ist das ganze Verständnis dahin", schildert sie.

Marianna Taschinger warnt derweil vor zu viel Freizügigkeit vor der Linse, auch wenn die Bilder für den eigenen Partner gedacht sind. Trotzdem sind ihre Freundinnen weiter unvorsichtig, erklärt sie, und vermutet auch einen Grund dafür: "Man möchte nicht wirklich darüber nachdenken, dass in fünf Jahren dein derzeitiger Freund dein Ex-Freund sein könnte und dir etwas wirklich schlimmes antut." (red, derStandard.at, 24.9.2013)