"I haaß Kolaric, du haaßt Kolaric. Warum sogen s' zu dir Tschusch?", hieß es 1973 auf einem Plakat. Das Pass-egal-Sujet nimmt darauf Bezug.  

Plakat: SOS Mitmensch

Wien - Ihr Wahlrecht in Anspruch zu nehmen sei für sie selbstverständlich, betont Sophie Gebefügi, deutsche Staatsbürgerin, die seit acht Jahren in Österreich lebt. Daher habe sie auch brav ihre Kreuzerln gemacht: auf einer bundesdeutschen Wahlkarte, vor dem dortigen Urnengang am gestrigen Sonntag.

"Doch was in Deutschland politisch geschieht, betrifft mich nur noch im gesamteuropäischen Zusammenhang", sagte die Wahlwienerin am Montag bei einer Pressekonferenz der NGO SOS Mitmensch. Weit mehr läge ihr an einem Abstimmungs-Input am kommenden Sonntag, bei der österreichischen Nationalratswahl.

"Ich finde, dass Menschen dort mitwählen sollten, wo ihr Lebensmittelpunkt ist, vor allem, wenn sie dort schon seit mehreren Jahren ansässig sind", meinte Gebefügi. Doch das geht in Österreich im Bund nur unter einer Bedingung: man muss Österreicher sein. Somit bleibt stimmlos, wer die Einbürgerung nicht schafft, oder aber seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit (noch) nicht aufgeben möchte.

Hauchdünn hinter FPÖ

Im ganzen Land seien inzwischen schon 835.000 Menschen in dieser Situation, "das wäre, gemessen am letzten Nationalsratswahlergebnis, die viertstärkste Partei, nur hauchdünn hinter der FPÖ", rechnete SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak vor. Der Ausschluss so vieler Wohnbürger mit ausländischen Wurzeln schwäche die Demokratie und behindere die Integration: ein Problem, auf das die Pass-egal-Wahl am Dienstag hinweisen möchte.

Konkret wird am Dienstag auf dem Wiener Minoritenplatz, ein Zelt aufgestellt. Dort, vor dem Hintereingang zum Innenministerium, können wahlwillige Nichtsstaatsbürgerinnen und Nichtstaatsbürger zwischen 15 und 20 Uhr zur Nationalratswahl zu schreiten. Unterstützt wird die Aktion von einer Reihe Migrantenorganisationen, neben dem Netzwerk Piefke-Connection und dem Dachverband serbischer Vereine auch die Zeitschrift Polonika, dem Verlag BUM-Media und Radio Afrika TV.

Nach Auszählung der abgegebenen Stimmen - eine Anfrage, ob man dafür einen Raum im Innenministerium benutzen könne, wurde abschlägig beantwortet - werde man ein "teilrepräsentatives" Wahlergebnis aus der Einwanderungsgesellschaft haben, erläuterte Pollak. Seine Forderung: Wahlrecht für Einwanderer nach drei Jahren im Land.

Ablehnung im Ministerium

Doch dazu sieht Heinz Fassmann, Leiter des Expertenrats für Integration im Innenministerium, keinen Anlass: Es gebe zu wenig internationale Vorbilder. Und auch ein Sprecher von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) reagiert ablehnend: Wer in Österreich mitbestimmen wolle, solle um die Staatsbürgerschaft ansuchen: "Jeder, der hier Heimat und Beruf hat, kann das." Das Wahlrecht sei immerhin ein "Goodie", um Migranten zu Integration zu bewegen. (bri, DER STANDARD, 24.9.2013)