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Alle Neune für die Union im Schwarz-rot-gold-Wahlkegeln: Der Dude (links) scheint es gelassen zu nehmen, Walter Sobchak (Mitte) und Donny Kerabatsos eher nicht. Herr Lebowski (auch links) wird nur dann richtig ungehalten, wenn unschöne Dinge mit seinem Teppich passieren.

dapd

Wolfgang Michal: "Das Ergebnis der Bundestagswahl fühlt sich an, als würde die Zeit eingefroren."

Foto: Privat

Eines der besten Kulturmagazine im Fernsehen ist Tracks auf Arte. Samstagnacht brachte man eine Sendung über die Prokrastinations-Bewegung, und mit dabei war ein unerhört einfühlsamer Bericht über den "Dude"-ismus, jene "am langsamsten wachsende Religion der Welt", die sich dem fernöstlichen Daoismus verwandt fühlt. Der Dudeismus vereint die friedliche, über die ganze Welt verstreute Anhängerschar des Dude.

Der Dude - im Kultfilm The Big Lebowski dargestellt von Jeff Bridges - ist ein aus der Zeit gefallener Hippie, der die passende Lebensform für sich gefunden hat und diese nur widerstrebend verlässt, wenn ihm jemand auf seinen Teppich pisst. In Thailand residiert sogar ein "Dudely Lama", der sich - wie der Dude im Film - in Bademantel, Badelatschen und Shorts die erforderlichen Zutaten für seinen White Russian besorgt. In Amerika gibt es Gemeinden, die sämtliche Szenen des heiligen Films immer wieder nachspielen, und deren Mitglieder so aussehen wie der Dude oder seine Freunde Walter Sobchak ("Don't roll on shabbes") und Donny.

Der Dude verkörpert mehr als ein Lebensgefühl. Er hat die Politik aus seinem Leben ausgesperrt. Als Ex-Mitglied der "Seattle Seven" konnte er mit der Ronald Reagan- und George-Herbert-Walker-Bush-Ära einfach nichts mehr anfangen.

Ich glaube, nach dem Wahlabend des 22. September wird der Dudeismus auch in Deutschland Fuß fassen. Es scheint sich um die einzige Lebensform zu handeln, die einem derartigen Wahlergebnis gewachsen ist. Man möchte nur noch bowlen, einen Joint rauchen und im Ford Gran Torino "Lookin out my back door" hören.

Das Ergebnis der Bundestagswahl fühlt sich an, als würde die Zeit eingefroren. Als zöge ein vierjähriger Winter heran, den man nur überstehen kann, wenn man jeden Abend The Big Lebowski ansieht. 2017 können wir vielleicht weitermachen, wo wir 2013 aufgehört haben.

Besonders schade ist, dass die CDU die absolute Mehrheit knapp verfehlt hat. Denn das bedeutet, dass die SPD wieder nicht von Steinbrück und Steinmeier lassen kann. Es wird keinen Neuanfang geben. Also stellen wir vorsorglich die Uhren auf 2005 zurück, verstreuen die Asche der FDP und gehen bowlen. (Wolfgang Michal, DER STANDARD, 24.9.2013)