Bregenz - In der Bregenzer Deuringstraße, einem Seitengässchen der Fußgängerzone Leutbühel, hat sich eine Tankstelle der besonderen Art etabliert: ein Ort zum Auftanken von Herz und Hirn.

Nachdem die Leute von der Tankstelle an Plätzen und Straßen auf die Notwendigkeit von Treffpunkten ohne Konsumzwang aufmerksam gemacht hatten, wurde der Wunsch nach einem wetterfesten Freiraum wach. "Wir haben nach einem Ort gesucht, wo sich Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Kulturen ohne Konsumzwang treffen können", erzählt Vereinsobmann Michael Lederer. "Bei Stadtspaziergängen mit anderen Augen" erkundete man Lokalitäten.

Die Anzahl leerstehender Geschäftslokale im kleinen Umkreis überraschte: "Wir haben in kurzer Zeit 17 Immobilien ausfindig gemacht und dann angefragt. Die Konditionen haben uns schockiert", erzählt Lederer.

Für einen auf Gemeinnützigkeit ausgerichteten Verein - "die Tankstelle ist kein Geschäftsmodell, sie generiert Sozialkapital" (Lederer) - sind die Bregenzer Mietpreise unerschwinglich. Viele Immobilienbesitzer seien gar nicht an der Vermietung interessiert, vermutet Lederer.

Die Tankstelle ist nicht der einzige Verein auf Herbergssuche. So bräuchte die karitative Einrichtung "Tischlein deck dich" dringend ein wetterfestes Quartier für die Lebensmittelausgabe.

Schwierigkeiten, Gewerbeflächen aufzutreiben, hat auch Niklas Keller, Leiter des Wirtschaftsservice der Stadt Bregenz. Zu seinen Dienstleistungen gehört das Flächenmanagement, die Immobilienbörse für Wirtschaftstreibende. Die Nachfrage nach Betriebsflächen sei wesentlich größer als das Angebot, sagt Keller. Leerstände gäbe es im Zentrum nur wenige. "Gefühlt", räumt Keller ein, über genaue Daten verfüge er nicht. Dass mitten im Zentrum ein früheres Hotel ungenutzt ist, sei ihm bewusst.

Eigentümer motivieren

Mit einem Quartiersentwicklungsprojekt für das Leutbühel-Viertel will man Hausbesitzer zur Vermietung motivieren. Ein "Wettbewerbs-Check" soll Möglichkeiten der Verwertung aufzeigen, Aktivitäten anregen. Die Bestandsanalyse und Interviews mit den Eigentümern, deren Ergebnisse für 2012 angekündigt waren, liefen noch, sagt Niklas Keller.

Die Leute von der Tankstelle wurden mittlerweile fündig. Sie konnten ein 80 Quadratmeter großes Geschäftslokal mit ebenso großem Keller mieten. Offene Abende werden dort organisiert, Näh-werkstätten, Strickrunden, Konzerte, Tauschpartys und jeden Freitag Kochrunden und gemeinsames Mittagessen.

Im Oktober läuft der Prekariatsmietvertrag aus. Dann bekommt die Tankstelle bis Mai 2014 einen Sondertarif. 900 Euro, die Hälfte der ortsüblichen Miete, sind dann monatlich fällig.

Ob die Tankstelle im Mai weiterziehen wird, ist noch ungewiss. "Wir haben noch nicht ausdiskutiert, ob wir andere Leerstände prekär nutzen wollen, quasi von Leerstand zu Leerstand ziehen", sagt Michael Lederer. Gegen eine nomadisierende Tankstelle spreche, dass sich der Verein in der Deuringstraße gut etabliert habe. Lederer: "Im Moment ruhen wir uns da aus." (Jutta Berger, DER STANDARD, 21.9.2013)