Für Angela Merkel ist der Ausgang der Bundestagswahl in Deutschland eine fulminante Bestätigung. Der Wahlerfolg der Unionsparteien ist deutlicher ausgefallen als ­erwartet. Merkel hat, gestützt auf ihre persön­lichen Zustimmungswerte im Ausmaß von 70 Prozent, den Urnengang zur Kanzlerwahl stilisiert. Sie hat die Wahlkampagne völlig auf sich konzentriert und in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass es diesmal keine Leihstimmen aus dem bürgerlichen Lager für den bisherigen Koalitionspartner FDP geben wird. Ein beträchtlicher Teil derjenigen, die 2009 noch den Liberalen ihre Stimme gegeben haben, ist diesmal ins Lager der Union gewechselt oder zurückgekehrt. Mit ihrer Ansage "Zweitstimme ist Kanzlerstimme" hat sie die FDP ins politische Aus katapultiert.

Die Partei hat ihre Schuldigkeit getan - so Merkels kühle Kalkulation. Das Debakel für die FDP verändert die politische Parteienlandschaft in Deutschland massiv. In 13 von 17 Legislaturperioden waren die Liberalen sogar in der Regierungsverant­wortung.

SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück hat nach einem eher missglückten Start und Pannen zwischendurch im Wahlkampffinish aufgeholt - trotz des Stinkefingers im Finale. Steinbrück hat den Sozialdemokraten einen Stimmengewinn beschert. Die innerparteilichen Alternativen Frank-Walter Steinmeier und Parteichef Sigmar Gabriel hätten vermutlich auch nicht mehr herausgeholt.

Steinbrück hat sich immerhin bemüht, Inhalte in diesen Wahlkampf zu bringen. Dass SPD und CDU sowie die CSU vor einer Woche in Bayern zugelegt haben, zeigt: Volksparteien sind noch nicht abzuschreiben.

Merkels Position in der CDU ist fester zementiert denn je nach diesem Wahlerfolg. Die ostdeutsche Pfarrerstochter, die es nur wegen der Parteispendenaffäre unter Helmut Kohl an die Spitze geschafft hat und lange Zeit von vielen nicht nur in ihrer Partei unterschätzt worden ist, hat die CDU umgekrempelt und nach ihrem Gutdünken gestaltet. Parteiinterne Kritiker hat sie weggelobt, oder sie haben selbst aufgegeben.

Den Kurs der CDU halten manche parteiinterne Kritiker fast schon für sozialdemokratisch, manche sogar für zu links: Ausbau der Kindertagesstätten, Aussetzung der Wehrpflicht, die Neupositionierung in Integrationsfragen und der Schwenk bei der Atomkraft gehören dazu. Der Atomausstieg nach der Katastrophe von Fukushima trug entscheidend dazu bei, dass den Grünen ein wichtiges Thema im politischen Wettstreit abhandengekommen ist.

Merkels Mäanderkurs hat der CDU neue Wähler zugeführt - die Konservativen sind zwar verärgert, haben aber keine ­andere Option, als zähneknirschend doch für die Kanzlerin zu stimmen. Über die Stimmung in diesen Reihen gibt ein Text des über eine Plagiatsaffäre gestürzten ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg am Wochenende in der "Financial Times" Auskunft, der Merkels Politikstil wie folgt beschreibt: "Erstens, halte dir alle Möglich­keiten offen, aber tue dies entschieden. Zweitens, zögere energisch." Drittens wirft er ihr 170-Grad-Drehungen vor, denn "180-Grad-Drehungen würden sie immer auf denselben Punkt zurückführen".

Mit Merkels Mittekurs triumphiert das ­Mittelmaß. Sie vermittelt den Deutschen Solidität und Stabilität - das scheinen viele zu schätzen. Auch auf europäischer Ebene versucht die deutsche Kanzlerin genau das zu vermitteln. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 23.9.2013)