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Auf Drängen Silvio Berlusconis wurde die Immobiliensteuer abgeschafft. Nun klagen die Gemeinden über den Einnahmenausfall.

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Italien wird die Defizitgrenze von drei Prozent doch nicht einhalten. Nur wenige Wochen nachdem die EU das Defizitverfahren gegen Rom eingestellt hatte, muss die Koalitionsregierung von Enrico Letta zugeben, dass die Neuverschuldung heuer mit 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts über der Maastricht-Grenze liegen werde. Grund dafür sind Steuergeschenke, die Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi vor den Wahlen versprochen und danach mit Hilfe der Linksdemokraten durchgedrückt hat.

Wirtschaftsminister Fabrizio Saccomanni will jedoch keine weiteren Kompromisse in punto Budgetkonsolidierung eingehen, ließ der frühere Generaldirektor der Banca d'Italia Staatspräsident Giorgio Napolitano wissen. Und drohte mit seinem Rücktritt.

Zuvor hatte die Regierung die Wirtschaftsprogosen 2013/2014 nach unten revidiert. Die Korrektur fiel höher aus als erwartet. Italiens Bruttoinlandsprodukt wird 2013 um 1,7 Prozent sinken und 2014 nur um ein Prozent statt der angekündigten 1,3 Prozent wachsen. Damit behauptet Rom seine Rolle als Wachstumsnachzügler der EU. Die Gesamtverschuldung des Staates wird sich von 133 Prozent auf 133,2 Prozent im kommenden Jahr erhöhen.

Nicht zu rechnen ist mit Schuldenabbau. Dabei weist im EU-Vergleich nur Griechenland höhere Schulden aus als Italien. Der Haushaltsausgleich wird nicht, wie von der Vorgängerregierung versprochen, bereits 2014 sondern frühestens 2015 erreicht.

Trotz all dieser Hiobsbotschaften drängt die Regierung, die von Ex-Premier Mario Monti für Oktober eingeführte Mehrwertsteuererhöhung von 21 auf 22 Prozent abzuschaffen. Dies würde die Staatskasse um Mehreinnahmen von 1,6 Milliarden Euro bringen. Wirtschaftsminister Saccomanni hat deshalb klar wissen lassen, dass der Staat keine Mittel habe, um die Finanzierung zu garantieren. Noch dazu fehlen vier Milliarden Euro, die durch die von Berlusconi um jeden Preis gewollte Abschaffung der Immobiliensteuer IMU entstanden sind. Das treibt die Bürgermeister der 800 italienischen Gemeinden auf die Barrikaden.

Die unpopuläre Steuer auf den Hauptwohnsitz wäre den Kommunen zugutegekommen. "Mehrere Gemeinden werden nicht in der Lage sein, ihren Beamten Gehälter auszuzahlen", warnte der Turiner Bürgermeister Piero Fassino, zugleich Präsident des Gemeindeverbands ANCI. Die Kommunen hätten seit 2007 bereits auf 16 Milliarden Euro verzichtete, die fehlten in Kindergärten, Sozialwesen und Kultur.

Im Saldo fehlen in der Staatskasse mehr als sechs Milliarden Euro. Ein Nachtragshaushalt zu Jahresende sei nicht auszuschließen, bestätigte Saccomanni. Im Oktober kommt die Feuerprobe für Premier Letta, da soll das Stabilitätsgesetz mit dem Budget 2014 verabschiedet werden - sofern der Wirtschaftsminister nicht schon vorher eine Regierungskrise auslöst. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, 23.9.2013)