Peshawar - Beim bisher wohl schlimmsten Anschlag auf Christen in Pakistan sind mehr als 70 Menschen getötet und mehr als hundert weitere verletzt worden. Zwei Selbstmordattentäter sprengten sich nach der Sonntagsmesse vor einer Kirche in Peshawar im unruhigen Nordwesten Pakistans in die Luft, wie die Behörden mitteilten. Die kleine christliche Minderheit in Pakistan wurde bisher nur selten Opfer der zahlreichen Anschläge im Land.

Bei dem Anschlag seien 75 Menschen getötet und 135 weitere verletzt worden, sagte der diensthabende Arzt im Leady Reading Hospital, Iftikhar Ali. Nach Angaben hochrangiger Polizeioffiziere waren darunter zahlreiche Frauen und mindestens vier Kinder.

Weitere Opfer

Die Zahl der Todesopfer drohte weiter zu steigen. "Die meisten Verletzten befinden sich in einem lebensgefährlichen Zustand", sage Behördenvertreter Sahibzada Anees. Der Anschlag ereignete sich demnach in einer besonders unruhigen Gegend, weshalb besondere Sicherheitsregeln gegolten hätten. Warum der Anschlag dennoch nicht verhindert wurde, müsse nach Abschluss der Rettungsarbeiten untersucht werden, sagte Anees.

Der Chef der örtlichen Polizeistation, Muhammed Noor, sagte, in der Kirche sei gerade das Abschlussgebet gebetet worden. Auf dem Areal davor habe zum Zeitpunkt des Anschlags bereits die Verteilung von Essen begonnen, laut Augenzeugen waren rund 600 Gläubige anwesend. Nach Polizeiangaben trug jeder der beiden Attentäter sechs Kilo Sprengstoff bei sich. Aus Protest gegen die Gewalt blockierten Angehörige mit Leichen der Opfer eine Hauptstraße, wie ein AFP-Reporter berichtete.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif verurteilte den Anschlag scharf. "Terroristen haben keine Religion und Angriffe auf unschuldige Menschen widersprechen der Lehre des Islam und aller Religionen", erklärte er.

Der frühere Minister für ein friedliches Miteinander der Religionen, Paul Bhatti, und der Abgeordnete der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Fredrich Azeem Ghauri, erklärten, es handle sich um den schwersten Anschlag auf Christen in der Geschichte Pakistans. Die religiös motivierte Gewalt zwischen der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit in Pakistan hatte in letzter Zeit zugenommen. Der Anschlag auf die Kirche schürt nun Ängste, die Gewalt könne zunehmend auch die Christen im Land treffen.

Zu dem Anschlag hat sich bisher niemand bekannt. Der an Afghanistan grenzende Nordwesten Pakistans ist allerdings eine Hochburg islamistischer Aufständischer. Ihre Angriffe richten sich im Wesentlichen gegen die pakistanischen Sicherheitskräfte sowie muslimische Minderheiten, die sie als Abweichler betrachten, seltener gegen Christen. In Khyber Pakhtunkhwa leben laut Ghauri rund 200.000 Christen, davon 70.000 in Peshawar.

Von den insgesamt rund 180 Millionen Pakistanern sind nur rund vier Prozent Christen. Sie sind mehrheitlich arm und leben oftmals in Elendsvierteln. Zudem sehen sich die Christen Diskriminierungen ausgesetzt und werden immer wieder der Blasphemie bezichtigt. Dies führte wiederholt zu spontanen Gewaltausbrüchen gegen Christen. (APA, 22.9.2013)