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Bisherige Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass diätetische Maßnahmen keine positiven Effekte auf den Krankheitsverlauf von Alzheimer bewirken.

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"Die gegenwärtige Situation, wie Patienten und ihre Familien abgefertigt werden, ist unerträglich", sagt Neurologe Peter Dal-Bianco vom AKH Wien.

Foto: dpa/Tobias Kleinschmidt

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Schematische Darstellung Auswirkungen der Krankheit auf Nervenzellen

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"Je älter wir werden, desto mehr Menschen werden Alzheimer erleben", sagt Peter Dal-Bianco, Leiter der Ambulanz für Gedächtnisstörungen und Demenz- erkrankungen an der Universitätsklinik für Neurologie am AKH Wien. Allein in Österreich leiden etwa 110.000 Menschen an einer Demenzerkrankung, 70 Prozent davon an Alzheimer. In den nächsten 20 Jahren wird sich die Zahl der Alzheimer-Patienten aufgrund der demografischen Entwicklung verdoppeln. Zusätzlich weisen schon jetzt rund 500.000 Menschen eine leichte kognitive Störung, möglicherweise ein Demenz-Vorstadium, auf.

Nahrungsergänzungsmittel "Souvenaid"

Für Betroffene in einem frühen Krankheitsstadium gibt es jetzt vielleicht neue Hoffnung: Anlässlich des Welt-Alzheimer-Tags am 21. September wurde das Nahrungsergänzungsmittel "Souvenaid" präsentiert, das eine Kombination verschiedener Nährstoffe beinhaltet und das Fortschreiten der klinischen Symptomatik bremsen soll.

Das neue Nahrungsergänzungsmittel wurde in drei internationalen Studien mit insgesamt rund 1.000 Patienten untersucht. Es enthält eine Kombination aus Nährstoffen (Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure, Uridinmonophosphat und Cholin) und weiteren biologischen Kofaktoren (Phospholipide, Folsäure, die Vitamine B, C, E und Selen). Das Produkt wird in einer Trinkflasche mit 125 Milliliter verkauft und soll "unter ärztlicher Aufsicht" einmal täglich getrunken werden.

In der ersten Studie zeigte sich bei Patienten im Frühstadium nach zwölf Wochen eine Besserung der Gedächtnisleistung bei 40 Prozent der Probanden, welche das Mittel erhalten hatten. In der Placebo-Gruppe waren es nur 24 Prozent. Die positiven Ergebnisse waren auch in Studien mit 24 Wochen Dauer statistisch signifikant. Bei der dritten, wiederum zwölfwöchigen Studie konnte allerdings keine Wirkung nachgewiesen werden. Derzeit läuft noch eine zweijährige Studie, die die Langzweitwirkungen untersuchen soll.

Alzheimer nicht aufhalten, aber Symptomatik bremsen

"Die durchgeführten Studien sind professionell gestaltet.  Dabei wurde unter anderem auf die Neuropsychologische Testbatterie (NTB) zurückgegriffen, die auch im Frühstadium der Krankheit ein sensitiver Indikator ist", beurteilt Dal-Bianco, selbst nicht an dieser Studie beteiligt, die Ergebnisse.

Es gebe zwar keine präventive Wirkung und man könne eine bestehende Alzheimerkrankheit nicht aufhalten, allerdings könnte das Mittel eine Verbesserung des Synapsenaufbaus bewirken. Diese sei aber trotz positiver Studienergebnisse nicht bewiesen. Andere Untersuchungen haben wiederum gezeigt, dass dietäre Maßnahmen keinen signifikanten Effekt auf die Denkkraft haben, so der Neurologe.

"Immer wieder hört man, dass mediterrane Kost günstig wäre, aber ich glaube eher, dass diese über den Umweg 'Herz-Kreislauf' wirkt. Sich viel bewegen, kein Übergewicht haben, nicht rauchen, kein Diabetes, keine Depression, lebenslange Neugier und Bildung - das wären insgesamt gesundheitsfördernde Maßnahmen, die auch Alzheimersymptome zeitlich hinausschieben können", sagt Dal-Bianco.

Allerdings spreche auch nichts gegen eine Einnahme, und zumindest bei Personen mit wenig ausgewogener Ernährung könne damit einem Mangel an den enthaltenen Nährstoffen vorgebeugt werden. "Es ist auf keinen Fall schädlich und vielleicht für einige ein Gewinn. Die Krankheit im Griff hat man damit allerdings nicht", fasst Dal-Bianco zusammen.

Mehr Wertschätzung für pflegende Angehörige

Im Vorfeld des Welt-Alzheimer-Tags stellt Dal-Bianco dem österreichischen Betreuungsangebot ein gutes Zeugnis aus, fordert aber mehr Wertschätzung für betreuende Angehörige und Freunde: "Wir haben in Österreich ein gutes soziales Netz, in dem sich Familie und Freunde um 80 Prozent der Alzheimerpatienten gut kümmern. Allerdings bekommen diese oft nicht die Wertschätzung und finanzielle Unterstützung, die ihnen eigentlich zustehen würde."

Seit Jahren erlebt der Neurologe immer wieder, wie Demenzkranke unter ihrem tatsächlichen Pflegeaufwand eingestuft werden. "Ich bin schockiert, was da an unsinnigen und oberflächlichen Beurteilungen stattfindet. Oft liegen nur oberflächliche oder inadäquate Begutachtungen bei Gericht vor", sagt Dal- Bianco.

"Zu den Patienten kommen Begutachter, die sich von der 'Fassade' der Alzheimerpatienten täuschen lassen", so der Neurologe. Leidtragende seien neben den Patienten auch die direkten Angehörigen und Betreuenden, die dann mit zu geringen Pflegegeldzahlungen das Auslangen finden müssen. 

"Unerträgliche Situation"

"Dabei geht es ja nicht einmal um riesige Summen - im Vergleich zu einem Aufenthalt im Spital oder Pflegeheim ist die Pflege zu Hause ungleich günstiger", sagt Dal-Bianco. Ein weiteres Problem neben den falschen Einstufungen an sich sei auch, dass diese Begutachtungen immer wieder fälschlicherweise übernommen würden. In den Bescheiden heiße es dann, dass die beantragte Pflegegeldstufe abgelehnt wurde und man bei Einspruch ja die Republik Österreich klagen könne.

"Aber welche achtzigjährige Frau, die sich um ihren kranken Mann kümmert, klagt die Republik Österreich? Das ist einfach absurd", sagt Dal-Bianco und ergänzt: "Müsste man all das staatlich machen, was jetzt die Angehörigen leisten, wäre das eine finanzielle Katastrophe. Es ist oft beschämend, wie Patienten und ihre Familien abgefertigt werden." (Florian Bayer, derStandard.at, 20.9.2013)