Drama und Polychromie: Schnittzeichnung durch das Stiegenhaus des Wiener Börsegebäudes.

Foto: Kupferstichkabinett

Theophil Hansen (1813-1891, hier 1873 in einem Porträt von Christian Griepenkerl).

Foto:Akademie der bildenden Künste Wien, Gemäldegalerie

Wien - Eine Handvoll Ausstellungen, Vorträge und Architekturführungen prasselte bereits über das heurige Jahr, in dem der dänisch-österreichische Architekt Theophil Hansen seinen 200. Geburtstag begeht. Dem umtriebigen Planer, der in Wien unter anderem das Parlament, die Börse, den Musikverein, das Palais Epstein, die Evangelische Schule am Karlsplatz und das Heeresgeschichtliche Museum im Arsenal entwarf, widmet nun jene Institution eine Ausstellung, mit deren Bau sich Hansen bis zu seinem Tod beschäftigte: die Akademie der bildenden Künste.

"Kein anderer Architekt hat die Wiener Ringstraße und nachträglich die gesamte Wiener Architektur wohl so stark mitgeprägt wie Theophil Hansen" , sagt Cornelia Reiter, Leiterin des Kupferstichkabinetts an der Akademie. Gemeinsam mit Robert Stalla, Professor für Kunstgeschichte an der TU Wien, kuratierte sie die Ausstellung Theophil Hansen. Architekt und Designer, die am Donnerstag in der Akademie eröffnet wurde. "Nach seinen Schaffensjahren in Athen war Hansen rund 30 Jahre lang in Wien tätig. In dieser Zeit hat er 15 zum Teil weltbekannte Bauwerke geplant. Das ist ein Haus alle zwei Jahre. Diese Dichte war in der damaligen Zeit außergewöhnlich."

Neben ein paar wenigen Originalmöbeln (der Design-Aspekt geht trotz Anspruchs im Ausstellungstitel absolut unter) sind vor allem Originalzeichnungen und riesige aquarellierte Fassadenansichten, Grundrisse und zur Entdeckungsreise anspornende, weil detailliert ausgeführte Schnittpläne zu sehen. 90 Stück sind's an der Zahl. Auf manchen Zeichnungen erkennt man, wie ein von Perfektionismus geplagter Hansen mit Farbe, Schere und Klebstoff so lange herumfitzelte, bis die dargestellten Licht- und Schattenspiele der ersehnten architektonischen Dramatik gerecht wurden.

"Hansen war ein leidenschaftlicher Verfechter von Polychromie, also von knalligen, farbenfrohen Fassaden, wie sie in der Antike üblich waren", sagt Reiter. "Damit hatte er in Wien aber nur wenig Glück, denn die Außenräume der Wiener Bauten sind meist farblos und zurückhaltend. Die Farbe beschränkt sich auf die Innenräume." Beim Stiegenhaus im 1877 errichteten Börsegebäude (siehe Zeichnung links) durfte sich der Vielbauer austoben.

Ein Wagon für den Papst

Anders als in allen bisherigen Hansen-Ausstellungen bekommt man einen Einblick ins Ambiente der Gründerzeit. Farben, Papier und Zeichenkultur sind hautnah zu spüren. Für ein besonderes Schmunzeln sorgt der handkolorierte Entwurf für einen Eisenbahnwagon für Papst Pius IX (1849). Ein bisschen erinnert das mobile Bauwerk an einen Musikverein en miniature. Die Ausstellung am Schillerplatz ist womöglich die letzte große Aktion in der alten Akademie. Ab kommendem Jahr soll das Gebäude saniert werden. Der Universitätsbetrieb wird dann für einige Jahre in die alte WU in der Spittelau ausweichen. Von Hansens Händchen für Raum und Farbe wird man dort nur träumen können.      (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 20.9.2013)