Gabriele Kranzelbinder, in der DVD-Edition als (Ko-)Produzentin mit "Crash Test Dummies", "Universalove" oder "Die Vaterlosen" vertreten, in ihrem Büro in Wien.

Foto: Standard/Robert Newald

STANDARD: Erinnern Sie sich noch an den ersten Film, den Sie produziert haben?

Gabriele Kranzelbinder: Das war ein Kurzfilm von Thomas Woschitz mit dem Titel Tascheninhalt und Nasenbluten. Der Film hat 1995 den Würdigungspreis bei der Diagonale bekommen. Ein Jahr später entstand der nächste Kurzfilm, Blindgänger - nach ziemlich langer Zeit eine heimische Produktion, die es zum Festival nach Venedig schaffte. Das war, noch bevor der österreichische Film zum internationalen Höhenflug gestartet ist. Im Jahr 2001 wurde schließlich die Produktionsfirma Amour Fou gegründet, und seit der Trennung 2007 gibt es die KGP.

STANDARD: Waren diese ersten Kurzfilme bereits als Schritt in Richtung Langfilm gedacht?

Kranzelbinder: Für mich war damals eher die Frage, wohin ich mich selbst bewege. Nach meinem Jusstudium bin ich eher zufällig in die Filmproduktion hineingerutscht, hatte jedoch keinerlei filmische Ausbildung. Ich wusste aber: Ich will Produzentin sein. Natürlich muss man in diese Arbeit hineinwachsen, und das geht mit einem Kurzfilm einfacher. Was ich von Anfang an sehr schön fand, ist die Zusammenarbeit mit Autorinnen und Autoren - das hat sich nicht geändert.

STANDARD: Was ist das Schöne an dieser Zusammenarbeit?

Kranzelbinder: Ich sehe mich da als eine Art Geburtshelferin. Jemand entwickelt eine Idee, ein Werk soll entstehen, und ich bin dazu da, zu helfen, diese Idee zur Welt zu bringen. Ich schätze aber auch die kontinuierliche Zusammenarbeit, zum Beispiel mit Ruth Mader (What is Love, Struggle), einer außergewöhnlichen Filmemacherin mit einem extrem hohen Maß an Talent. Jemand anderer, mit dem ich regelmäßig arbeite, ist Thomas Woschitz, mit dem wir mit Universalove einen sehr schönen Erfolg hatten. Wichtig ist, auch auf der menschlichen Ebene ein gutes Verhältnis zu haben.

STANDARD: An den von Ihnen produzierten Filmen fällt die enorme Bandbreite auf: Spielfilme, Dokumentarfilme und experimentelle Arbeiten stehen nebeneinander.

Kranzelbinder: Die gesamte Bandbreite ist nicht abgedeckt, weil ein wesentlicher Bestandteil im Portfolio fehlt, und zwar die Fernsehfilme. Bei Kinoproduktionen gibt es tatsächlich eine breite Streuung. Was es aber auch - oder noch - nicht gibt, das ist der Film, der stark auf den nationalen Markt fokussiert, zum Beispiel die österreichische Komödie. Ein gemeinsames Merkmal kann man aber schon erkennen, und das ist die Internationalität. Das war mir immer schon wichtig - in erster Linie europäisch zu produzieren.

STANDARD: Funktionieren Komödien gezielt für den österreichischen Markt?

Kranzelbinder: Selbstverständlich. Das sieht man auch an den Besucherzahlen. Es gibt immer wieder Ausreißer, die wirklichen Sensationserfolge sind wie etwa Echte Wiener oder Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott. Auch die Werkstürmer laufen im Moment sehr gut. Das sind Beispiele, anhand deren man sagen kann: Die österreichische Komödie funktioniert. Natürlich ist es allgemein immer schwieriger, das Kinopublikum zu erreichen, aber das betrifft uns weltweit gleichermaßen und ist kein Charakteristikum des österreichischen Markts.

STANDARD: Stellt ein für den österreichischen Markt produzierter Film nicht ein größeres Risiko dar?

Kranzelbinder: Das Risiko ist nicht kleiner oder größer als jenes für den internationalen Markt. Das ist ja das Schöne und gleichermaßen Schwierige an unserem Beruf: Man kann den Erfolg nicht planen. Der Erfolg ist von so vielen zufälligen Faktoren abhängig. Es ist ein extrem riskantes Geschäft, aber man muss sich die Frage stellen, ob es überhaupt ein Geschäft sein soll. Denn letzten Endes stellen wir kulturelle Güter her, für die wir auch zu einem großen Teil öffentlich gefördert werden - und zu Recht aus kulturellen Budgets. Das ist ein Beitrag, den wir zur Entwicklung unserer Gesellschaft leisten, und das sollte sich eine Gesellschaft auch leisten wollen.

STANDARD: Welche Kriterien geben für Sie den Ausschlag, um einen Film zu produzieren?

Kranzelbinder: Die Frage nach der Erzählung. Das kann eine Geschichte sein, die ein größeres Publikum unterhält, oder ein Thema, das uns in unserer gesellschaftlichen Entwicklung weiterbringt, diskutiert werden soll. Wichtig ist aber auch das persönliche Interesse, denn meist sind es nicht weniger als fünf Jahre, die man an einem Film arbeitet.

STANDARD: Der Bezug zur gesellschaftlichen Gegenwart spielt bei der Auswahl also durchaus eine entscheidende Rolle.

Kranzelbinder: Ein solcher Bezug hängt vom jeweiligen Film ab. Im Moment ist etwa mit Mirjam Ungers Maikäfer flieg, entstanden nach dem Roman von Christine Nöstlinger, ein Film in Entwicklung, der im Jahr 1945 spielt. Das Aufwachsen eines Mädchens in Wien während der letzten Kriegstage und des Einmarschs der Russen. Das ist ein historischer Stoff, der aber vieles birgt, das heute noch genauso Gültigkeit besitzt.

STANDARD: Warum arbeiten in Österreich viele Filmemacher als ihre eigenen Produzenten?

Kranzelbinder: Es wird wenig getan, das Vertrauensverhältnis zwischen Produzenten und Filmemachern zu stärken. Da fehlt es am Teamgedanken. Eigentlich sollte es darum gehen, den anderen verstehen zu wollen, und das findet nicht in ausreichendem Maße statt. Da sind aufseiten der Produzenten sicher auch Fehler in der Vergangenheit passiert. Man fällt schnell in alte Muster zurück, wie zum Beispiel in das Klischee, dass der Produzent dem armen Regisseur sagt, wie's geht. Das ist natürlich völlig überholt.

STANDARD: Welcher KGP-Film wird als nächster in den österreichischen Kinos zu sehen sein?

Kranzelbinder: Shirley - Visions of Reality von Gustav Deutsch. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, erzählt in belebten Edward-Hopper-Bildern. Der Film startet nach der Viennale Anfang November, dazu gibt es eine Vernissage im Künstlerhaus: ein interdisziplinäres Projekt, das viele Kunstformen beinhaltet. Wer anschließend das Rennen macht, werden wir sehen: In Fertigstellung sind We Come as Friends von Hubert Sauper, Ebensee von Sebastian Brameshuber, ein Spielfilm von Thomas Woschitz mit dem Arbeitstitel Blind und ein neuer Dokumentarfilm von Elisabeth Scharang. Als Nächstes gedreht wird Klassentreffen, ein Thriller von Ulrike Schweiger, unser erster Ausflug ins Genrefach. Das wird sicher spannend, das Buch hat mir jedenfalls schon Albträume bereitet. (Michael Pekler, DER STANDARD, 21./22.9.2013)