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Qadri Jamil, Vizepremier

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Kämpfer der "Free Syrian Army"

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Bashar al-Assad: Vernichtung der syrischen Chemiewaffen wird ein Jahr dauern

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Damaskus/Moskau - Sollte es zu einer Syrien-Friedenskonferenz kommen, würde die syrische Regierung einen Waffenstillstand anstreben. Dies erklärte der syrische Vize-Premier Qadri Jamil in einem am Donnerstag online veröffentlichten Interview mit der britischen Zeitung "The Guardian". Der syrische Bürgerkrieg sei in einer Sackgasse angekommen, keine der beiden Konfliktparteien könne ihn noch gewinnen, sagte der für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständige Jamil.

Die als "Genf-2" bekannte Konferenz hätte bereits zu Beginn des Sommers stattfinden sollen, war jedoch immer wieder verschoben worden. Ziel wäre die Suche nach einer politischen Lösung im Syrien-Konflikt. Ob und wann sie tatsächlich stattfinden wird, ist gegenwärtig ungewiss.

Kerry drängt

US-Außenminister John Kerry hat den UNO-Sicherheitsrat zu einer schnellen und umfassenden Resolution gedrängt. Das Assad-Regime müsse mit dem "stärkstmöglichen Mechanismus" der Vereinten Nationen zur Aufgabe seines Chemiewaffen-Arsenals gedrängt werden, sagte Kerry am Donnerstag in Washington. "Die Zeit ist knapp." Der Sicherheitsrat müsse bereit sein, kommende Woche zu handeln. Die UNO-Vollversammlung kommt am Dienstag zusammen.

Iran bietet sich als Vermittler an

Teheran sei bereit, den Weg zu Gesprächen zwischen Assad und den Aufständischen zu ebnen, schrieb Rohani in einem am Donnerstagabend (Ortszeit) veröffentlichten Namensartikel für die "Washington Post". "Ich erkläre die Bereitschaft meiner Regierung, dabei zu helfen, den Dialog zwischen der syrischen Regierung und der Opposition ermöglichen", schrieb Rohani.

Das Vermittlungsangebot dürfte allerdings auf Skepsis bei der syrischen Opposition treffen: Die Regierung in Teheran gilt als enger Verbündeter von Assad.

"Müssen uns zusammentun"

Rohanis Namensartikel ist mit dem Titel "Warum der Iran einen konstruktiven Beitrag sucht" überschrieben. Der iranische Präsident legt darin auch seinen Ansatz für eine Beilegung der Spannungen in der Region des Nahen Ostens dar. "Wir müssen uns zusammentun, um auf einen konstruktiven nationalen Dialog hinzuarbeiten, ob in Syrien oder in Bahrain", schrieb Rohani. "Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der die Völker in der Region ihr eigenes Schicksal entscheiden können."

Lob von Putin

Kremlchef Wladimir Putin hat das Regime in Damaskus für dessen Zusammenarbeit bei der geplanten Vernichtung syrischer Chemiewaffen gelobt. "Derzeit sieht alles danach aus, dass Syrien unserem Vorschlag zugestimmt hat und bereit ist, in Übereinstimmung mit dem internationalen Plan zu handeln", sagte Putin am Donnerstag. Die syrische Regierung habe bereits praktische Schritte unternommen. "Ich kann nicht 100-prozentig sicher sagen, dass sie letztlich alles zu einem guten Ende bringen, aber was wir in den vergangenen Tagen gesehen haben, stimmt uns zuversichtlich", sagte der russische Präsident bei einem internationalen Diskussionsforum. Moskau ist ein enger Partner von Damaskus.

Kämpfe zwischen Jihadisten und Rebellen

Auch am Freitag kam es zu Kämpfen zwischen verschiedenen Rebellengruppen. Im syrisch-türkischen Grenzgebiet versuchten Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) nach eigenen Angaben, die Milizionäre der Al-Kaida nahestehenden Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien(ISIS) aus der Kleinstadt Azaz zurückzudrängen. Die "Gotteskrieger" griffen in den Morgenstunden wiederum Gebiete in der Metropole Aleppo an, in denen eigentlich die Oppositionsarmee das Sagen hat.

Die Extremisten hatten am Mittwoch begonnen, Gebiete der strategisch wichtigen Ortschaft zu übernehmen. Als Reaktion darauf hat die Türkei bereits am Donnerstag zwischenzeitlich den nahe gelegenen Grenzübergang Öncüpinar in der Provinz Kilis geschlossen.

Syriens Oppositionsplattform Nationale Koalition verurteilte die Angriffe der Al-Kaida-Anhänger auf die "Kräfte der syrischen Revolution." Dieses Verhalten stehe im Widerspruch zu den Zielen der Revolutionäre, erklärte die Organisation.

Türkei sperrt Grenze

Heckenschützen seien auf den Dächern positioniert, hieß es, die Lage sei äußerst angespannt. Nach Schätzungen von Aktivisten vor Ort starben bei den Gefechten, die bereits seit Mittwoch andauern, bisher rund 100 Kämpfer auf beiden Seiten. Den nahe gelegenen und für Nachschub strategisch wichtigen Grenzübergang hätten die islamischen Extremisten bisher jedoch nicht erreicht. Berichten aus der Grenzregion zufolge schlossen die türkischen Behörden am Donnerstag die Grenzübergänge zu Syrien, lediglich Rettungsfahrzeuge wurden durchgelassen.

Buspassagiere getötet

Durch die Explosion mehrerer am Straßenrand deponierter Bomben wurden in der westsyrischen Stadt Homs mindestens neun Menschen getötet. Es handle sich um Insassen eines Kleinbusses, die in einem Konvoi mehrerer Fahrzeuge unterwegs gewesen seien, teilte die Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Demnach ereignete sich der Vorfall an einer Straße, die das Zentrum von Homs mit einigen Ortschaften verbindet, die von Alawiten bewohnt werden. Dieser Strömung des schiitischen Islam gehört auch Staatschef Bashar al-Assad an.

In einem der Dörfer gab es den Angaben zufolge später Schusswechsel. Zudem sei in der nahen Ortschaft Al-Hula ein Angriff der Armee erfolgt, bei dem ein Kind und ein Erwachsener getötet worden seien. In der Region von Homs flog demnach auch die syrische Luftwaffe neue Angriffe.

Interview mit Assad auf Fox

Präsident Assad hat unterdessen persönlich zugesichert, die Chemiewaffen seines Landes zerstören zu lassen. Das werde jedoch ein Jahr dauern und eine Milliarde Dollar (fast 750 Millionen Euro) kosten, sagte Assad am Mittwoch dem US-Sender Fox. Er bestritt darin, dass sich Syrien in einem Bürgerkrieg befinde. Das Land sei vielmehr von zehntausenden mit Al-Kaida verbündete Jihadisten angegriffen worden.

"Ich denke, dass es technisch ein komplizierter Vorgang ist", sagte Assad zur Chemiewaffenvernichtung. "Und dafür ist viel Geld nötig, rund eine Milliarde." Die Vernichtung brauche zudem Zeit. "Dazu ist ein Jahr nötig oder etwas mehr." Seine Regierung sei jedenfalls nicht für den Giftgaseinsatz am 21. August nahe Damaskus verantwortlich sei. Dieser sei vielmehr ein Werk der Aufständischen gewesen. Laut UNO-Inspektoren wurde bei dem Angriff das Nervengift Sarin eingesetzt. Die USA gehen von rund 1.400 Toten aus.

Ringen um Umsetzung

Die USA und weitere westliche Staaten machen Assad für den Angriff verantwortlich. Die USA und Frankreich haben deshalb mit einem Militärschlag gedroht. Syrien hatte daraufhin einen russischen Vorschlag angenommen, sein Chemiewaffenarsenal unter internationale Kontrolle zu stellen und vernichten zu lassen. Derzeit wird im UNO-Sicherheitsrat um die Details eines Plans für die Umsetzung gerungen.

Erster Teil des Fox-Interviews mit Assad.

Syrien hat seinem Verbündeten Russland die Übergabe aller Informationen über seine Chemiewaffenarsenale innerhalb der vereinbarten Frist von einer Woche zugesagt. "Ich habe die Zusicherung erhalten, dass alles rechtzeitig zur Verfügung steht", sagte Russlands stellvertretender Außenminister Sergej Rjabkow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Es gebe keinen Grund, an der aufrichtigen Absicht der syrischen Führung zu zweifeln. Diese habe den UNO-Inspektoren bereits Beweise dafür übergeben, dass die Opposition Giftgas eingesetzt habe. "Dieses Material kann den Verlauf der weiteren Verhandlungen ändern", sagte Rjabkow.

Assad bestritt gegenüber Fox, dass ihn die Drohung mit einem militärischen Eingreifen dazu gebracht habe, der Vernichtung der Chemiewaffen zuzustimmen. Das sei ein Missverständnis: "Syrien würde sich nie einer Drohung beugen."

"Eine neue Art von Krieg"

Der syrische Machthaber forderte US-Präsident Barack Obama gleichzeitig auf, seinem Land nicht mehr mit einem Militärschlag zu drohen. Er solle vielmehr "auf den gesunden Menschenverstand" seines Volkes hören. Ein Großteil der US-Bürger ist gegen ein militärisches Eingreifen in den Syrien-Konflikt oder sieht dieses skeptisch.

"Wir befinden uns nicht in einem Bürgerkrieg", sagte Assad, "wir haben einen Krieg." Es sei eine neue Art von Krieg, in dem islamistische Rebellen aus mehr als 80 Ländern gegen seine Regierung kämpften. "Wir wissen, dass es zehntausende Jihadisten gibt." 80 bis 90 Prozent der "Untergrund-Terroristen" gehörten zu Al-Kaida oder seinen Ablegern.

Assad räumte ein, dass für den Beginn des Aufstands im Jahr 2011 syrische Rebellen ohne Verbindung zu Jihadisten verantwortlich waren. Seit Ende 2012 seien die islamistischen Extremisten aber in der Überzahl - gefördert durch finanzielle und politische Unterstützung aus dem Ausland. Der Bürgerkrieg war von Massenprotesten gegen den Polizei- und Geheimdienststaat ausgegangen, die Assad brutal niederschlagen ließ.

"Militärische Option weiter am Tisch"

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen will trotz der jüngsten Einigung zwischen den USA und Russland an der Drohung mit einem Militärschlag festhalten. "Es ist wichtig, dass die militärische Option weiter auf dem Tisch liegt", sagte Rasmussen am Donnerstag. Die Voraussetzungen für ein Eingreifen der NATO seien aber nicht gegeben. Die Einigung der USA und Russlands, das syrische Chemiewaffenarsenal zu vernichten, nannte Rasmussen eine gute Nachricht und einen großen Schritt vorwärts. Langfristig könne es in dem Konflikt nur eine politische Lösung geben.

Zwei Millionen aus Deutschland

Deutschland hat zwei Millionen Euro für die Vernichtung der Chemiewaffen zugesagt. Das Geld geht an die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVCW) in Den Haag, die für die Erfassung der Kampfstoffe, ihre Sicherung und die spätere Beseitigung zuständig ist. "Nach dem verheerenden Einsatz von Chemiewaffen in Syrien ist ein Beitrag zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen eine Priorität unserer Außenpolitik", sagte Außenminister Guido Westerwelle am Donnerstag. Deutschland hat auch technische Hilfe bei der Vernichtung von Chemiewaffen in Aussicht gestellt. 

Frankreich will Waffen liefern

Frankreich hat erstmals erklärt, syrische Rebellen mit Waffen versorgen zu wollen. Sie sollten an Aufständische gegeben werden, die zwischen Regierungstruppen einerseits und radikalen Islamisten andererseits stünden, sagte Präsident Francois Hollande am Donnerstag bei einem Besuch in Mali. "Wir werden das (die Lieferung von Waffen) in einem breiteren Zusammenhang und mit mehreren Ländern gemeinsam in einem Rahmen tun, der kontrolliert werden kann", sagte Hollande. "Denn wir können nicht akzeptieren, dass Waffen in die Hände von Jihadisten fallen, gegen die wir hier (in Mali) gerade erst gekämpft haben."

Eine Bewaffnung der Rebellen ist unter westlichen Ländern unter anderem deswegen umstritten, weil die syrische Opposition zersplittert ist und unter den Rebellen islamistische Gruppierungen zuletzt an Stärke gewonnen haben. Daher wird befürchtet, dass westliche Waffen in die Hände radikaler Muslime mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida gelangen könnten. (APA, 19.9.2013)