Die selbstgeschnitzten Plakate von Leuten mit Migrationshintergrund hingen nicht lange:

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Weder der rote Kanzler noch sein schwarzer Vize wollten auf Türkisch beworben werden.

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Wien - Ein kleines Taferl brachte Werner Faymann beim TV-Duell mit Heinz-Christian Strache Dienstagabend zum Explodieren. "Das habe ich nicht in Auftrag gegeben!", tobte der Kanzler, als der FPÖ-Chef die Miniversion eines Plakats in die Kameras hielt, das Faymann mit einem türkischen Slogan versehen zeigte. "Nie" hätte sein Wahlleiter "das aufgehängt", so Faymann außer sich.

Warum geriet der SPÖ-Chef derart in Rage? Stefan Hirsch, roter Kommunikationschef, erklärt Faymanns Ausbruch am Tag danach damit, dass der Kanzler Strache "die Grenzen aufgezeigt" hat, weil dieser "zum wiederholten Male Unwahrheiten" von sich gab. SPÖ-Wahlkampfleiter Norbert Darabos wurde im ORF-"Mittagsjournal" aber deutlicher: "Wir wollen, dass die Menschen die österreichische Sprache nicht nur erlernen, sondern auch ausüben", hielt Darabos da fest.

Mitschuld am roten Ärger trägt ein türkischstämmiger Kleinunternehmer aus Favoriten, der das von Strache angeprangerte Sujet anfertigen hat lassen. Der Mann wurde von der SPÖ jedoch gleich darauf hingewiesen, dass er das Logo der Partei dabei nicht verwenden darf. Mittlerweile sind auch alle Plakate entfernt.

Wie die Genossen haben auch schon die Bürgerlichen auf selbst geschnitzte Plakate reagiert. Auf einem davon war der türkischstämmige Kandidat Hasan Vural mit Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz oder Parteichef Michael Spindelegger zu sehen - allerdings auch nur kurz, denn diese Plakate sind ebenfalls längst abgehängt. Die Werbelinie sehe keine zweisprachigen Plakate vor, heißt es dazu aus der ÖVP, weil: Deutsch ist Pflicht. Als Beleg für einen migrantenfreundlichen Wahlkampf wird dafür gern auf den Salzburger Asdin El Habbassi verwiesen, der auf Platz fünf der Bundesliste kandidiert.

Der Politologe Peter Filzmaier hat folgende Erklärung dafür, dass sich SPÖ und ÖVP im Wahlkampf mit Leuten, die Migrationshintergrund haben, schwertun: "Es besteht die Angst, bei einem allzu heftigen Umwerben dieser sieben bis acht Prozent der Stimmberechtigten gleichzeitig zu viele Wähler an die FPÖ zu verlieren." Heißt: Wer sich zuwandererfreundlich gibt, riskiert hohe Verluste im viel größeren xenophoben Wählerreservoir.

Dazu kommt laut Filzmaier, dass die Wahlmotive der neuen Staatsbürger noch kaum erforscht sind - nicht zuletzt deswegen begnügen sich Rot und Schwarz in Wahlkämpfen lieber damit, ein paar Kandidaten mit fremder Herkunft auf ihre Listen zu hieven. Dazu ist diese Wählergruppe laut dem Experten sehr heterogen, deswegen wollen Faymann, Spindelegger & Co "im Zweifelsfall lieber nichts riskieren".

Ein Beispiel dafür sind ihre beiden türkischstämmigen Kandidaten, Hasan Vural, gereiht auf Platz 15 der schwarzen Wiener Landesliste, und Resul Ekrem Gönültas, auf Platz 38 der roten Bundesliste zu finden: Der eine hat eher die Unterstützung aus AKP-Kreisen, die den umstrittenen türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan verehrt. Der SPÖ-Kandidat steht der islamisch-konservativen Milli Görüs nahe. Letzteres ist besonders heikel - denn anders als hierzulande widmet sich der deutsche Verfassungsschutz regelmäßig deren Aktivitäten. (nw/pm/ruta, DER STANDARD, 19.9.2013)